II. Eigene Willenserklärung

Der Vertreter muss eine eigene Willenserklärung abgeben. Diese wirkt - sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen - im vollen Umfang für und gegen den Vertretenen, § 164 I BGB.1

Hierbei handelt es sich um das entscheidene Merkmal, um den Stellvertreter vom Boten abzugrenzen. So überbringt ein Bote nur die Willenserklärung einer anderen Person.2 Er bildet keinen eigenen Willen zur Abgabe einer Erklärung und muss deshalb auch nicht geschäftsfähig sein.3 Der Vertreter hingegen muss gemäß § 165 BGB zumindest beschränkt geschäftsfähig sein. Beschränkte Geschäftsfähigkeit ist dabei deshalb ausreichend, weil das Geschäft lediglich Wirkung für den Vertretenen entfaltet. Der Vertreter wird hiervon nicht berührt.4 Geschäftsunfähige können nicht Vertreter sein, da es ihnen nicht möglich ist, einen rechtserheblichen Willen zu bilden.5

An einem Beispiel soll das Verhätnis von Bote und Stellvertreter besser veranschaulicht werden:

Beispiel 3: Der Mann M bekommt von seiner Frau den Auftrag 20 rote Rosen zu kaufen.

Abwandlung: M bekommt nur gesagt, dass er Blumen kaufen gehen soll.

In Beispiel 3 hat M überhaupt keinen Handlungsspielraum, bildet also keinen eigenen Erklärungswillen. Er überbringt vielmehr lediglich die Willenserklärung einer anderen Person und agiert deshalb als Bote seiner Frau.

In der Abwandlung hat M zwar den Auftrag von seiner Frau erhalten, Blumen zu kaufen, er muss sich aber selbst für eine spezielle Art entscheiden. Ihm bleibt im Geschäft die freie Wahl. Da er also nicht nur die Willenserklärung einer anderen Person weiterleitet, sondern eine eigene abgibt, handelt M als Vertreter der F, sofern die übrigen Voraussetzungen einer Stellvertretung erfüllt sind.

  • 1. LORENZ in JuS 2010 382.
  • 2. KÖHLER, BGB AT, 35. Aufl., § 11 Rn. 16.a
  • 3. MUSIELACK, BGB AT, 12. Aufl., Rn. 809.
  • 4. SCHRAMM in Mümchener Kommentar, 4. Aufl., § 165 Rn. 1.
  • 5. ELLENBERGER in Palandt, 71. Aufl., § 165.