II. Übernahmeverschulden

Es muss jedoch immer überprüft werden, ob bei vermeintlich defizitären Fähigkeiten oder Kenntnissen des Täters die subjektive Fahrlässigkeit nicht doch im Rahmen des sogennanten Übernahmeverschuldens zu bejahen ist. Ein Übernahmeverschulden liegt zum Beispiel dann vor, wenn man Dinge tut, denen man nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen nicht gewachsen ist und dies wusste bzw. hätte wissen können.

Beispielsweise könnte man bei einem Allgemeinarzt, der aus Profitgier auch Behandlungen durchführt, für die ihm die Fähigkeiten und Kenntnisse eines Chirurgen o.ä. fehlen und er damit eine Körperverletzung am Patienten objektiv fahrlässig verursacht, die subjektive Fahrlässigkeit verneinen, weil der Allgemeinarzt nach seinen individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage war, die objektiv gebotene Sorgfalt zu beachten. Allerdings liegt in diesem Fall ein Übernahmeverschulden und damit eine individuelle Fahrlässigkeit vor, da der Arzt wusste oder hätte wissen können, dass er die Fähigkeiten oder Kenntnisse für diese Behandlungen nicht besitzt. Der Täter hat sich in diesem Fall der fahrlässigen Körperverletzung strafbar gemacht.1

  • 1. Kaspar JuS 2012, 112, 116; Kindhäuser § 15 Rn. 85; Krey/Eser Rn. 1366.