I. Echte und unechte Unterlassungsdelikte im Überblick

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei einem Unterlassungsdelikt um eine Straftat, bei welcher es der Täter unterlässt eine „rechtlich gebotene“ Handlung vorzunehmen.Kindhäuser, Strafrecht AT, § 35, Rn. 1

 

1. Echte Unterlassungsdelikte

Nun gibt es einzelne Tatbestände, die ihrerseits ausdrücklich allgemeine Handlungspflichten begründen, die eine Garantenstellung iSd. § 13 StGB hinfällig werden lassen. Eben diese Gebote richten sich an jedermann und sind dementsprechend nicht an das Erfordernis einer Erfolgsabwendungspflicht gebunden. Zu nennen sind insbesondere § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) sowie § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung).Fischer, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 3.; Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 2.

Es handelt sich also um echte Unterlassungsdelikte, bei denen der objektive Tatbestand durch die Nichtvornahme der normierten und gebotenen Handlungspflicht verwirklicht wird.BGHSt 14, 280 (281). Anders ausgedrückt ist das „unterlassende Verhalten also in dem Verstoß gegen die Gebotsnorm“ an sich zu sehen.Rengier, Strafrecht AT, § 48, Rn. 3. Durch die eigens dafür vorgesehene Tatbestände wird ferner deutlich, dass es an einem entsprechenden Gegenstück in Form eines Begehungstatbestandes fehlt und somit ein eigener Strafrahmen für solche echten Unterlassungsdelikte geschaffen wird.Roxin, Strafrecht AT II, § 31, Rn. 16.

 

2. Unechte Unterlassungsdelikte

Von einem unechten Unterlassungsdelikt ist hingegen die Rede, wenn die Verwirklichung eines Begehungsdelikts durch Unterlassen, und zwar aufgrund der Erfüllung des § 13 StGB, der Verwirklichung durch aktives Tun gleichsteht.BGHSt 14, 280 (281).; Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 41. Täter kann, wie bereits ausgeführt, nur sein, wer eine Garantenstellung iSd. § 13 StGB begründet und demnach rechtlich dafür einzusehen hat, den Erfolg abzuwenden. Erst wenn eine derartige Garantenstellung begründet und die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, kann eine Verwirklichung durch Unterlassen bejaht werden. Man kann das unechte Unterlassungsdelikt insoweit als „Spiegelbild der Begehungsdelikte“ betrachten, weshalb grundsätzlich alle derartigen Tatbestände auch durch Unterlassen verwirklicht werden können.Rengier, Strafrecht AT, § 48, Rn. 5.

Im Gegensatz zu den echten Unterlassungsdelikten, welche ihrerseits durch einzelne Tatbestände normiert sind, ist das unechte Unterlassungsdelikt lediglich und allgemein durch § 13 StGB geregelt.Fischer, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 2. Innerhalb der Fallbearbeitung muss darauf geachtet werden, deutlich zu machen, dass es sich um ein unechtes Unterlassungsdelikt handeln könnte. An Hand des Beispiels eines Totschlags durch Unterlassen, ist dann wie folgt zu lesen: Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen: § 212 iVm. § 13 StGB.