A. Einführung und Allgemeines

Dem objektiven Tatbestand kommt die Aufgabe zu, die objektiven Voraussetzungen (= objektiven Tatbestandsmerkmale) eines Delikts zu prüfen. Neben einer tatbestandsmäßigen Handlung, einem dementsprechenden Erfolg und sonstigen deliktsspezifischen Tatbestandsmerkmalen – all diese Merkmale sind der jeweiligen Norm, die zu prüfen ist, zu entnehmen - ist innerhalb des objektiven Tatbestands insbesondere die Kausalität und die Objektive Zurechnung festzustellen, die jeweils ungeschriebene Tatbestandsmerkmale darstellen.1


Der Aufbau des objektiven Tatbestands gliedert sich also wie folgt2:
  • A. Tatbestandsmäßigkeit
    • I. Objektiver Tatbestand
      • 1. Vorliegen einer Handlung, Verwirklichung aller deliktsspezifischen objektiven Tatbestandsmerkmale sowie Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs.
      • 2. Kausalität
      • 3. Objektive Zurechnung
    • II. Subjektiver Tatbestand
  • B. Rechtswidrigkeit
  • C. Schuldhaftigkeit



Die Kausalität hat zur Aufgabe einen „naturgesetzlichen“ Zusammenhang zwischen der Handlung und dem eingetretenen Erfolg (aus Punkt 1.) herzustellen. Es wird also festgestellt, ob der Erfolg gerade durch die Handlung eingetreten ist. Die objektive Zurechnung dient dann einer Einschränkung dieses Zusammenhangs derart, dass danach gefragt wird, ob der eingetretene Erfolg dem Täter überhaupt zurechenbar, dh. als sein „Werk“ anzusehen ist.3

Innerhalb der Fallbearbeitung ist jedoch zu beachten, dass die Prüfung der Kausalität und objektiven Zurechnung nur geboten ist, soweit es sich um ein Erfolgsdelikt handelt. Das bedeutet, dass das Gesetz im Falle jener Delikte eine etwaige Strafbarkeit an den Eintritt eines bestimmten Erfolges knüpft. Nur in diesem Rahmen ist eine zweistufige Prüfung von Kausalität und objektiver Zurechnung erforderlich. Beispielhaft sind insbesondere der Totschlag nach § 212 I StGB sowie die Körperverletzung gemäß § 223 I StGB zu nennen. Erfolg ist hier der Tod bzw. die Körperverletzung.4

Um die Thematik zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle zunächst ein einfaches Beispiel anzuführen: A zielt mit einem Gewehr auf B, drückt ab und trifft den B mitten ins Herz. Dieser erliegt den schweren Verletzungen noch an Ort und Stelle.

In diesem Fall wird deutlich, dass B gerade aufgrund der Verletzungen zu Tode kommt, die ihrerseits auf dem Schuss des A beruhen. Des Weiteren ist der Erfolg, der Tod des B, auch als das Werk des A anzusehen. Der Verlauf der Dinge (= Kausalverlauf) ist völlig normal, bedenkt man, dass A gerade auf den B geschossen hat. Erfolg und Handlung sind nicht nur kausal, der Eintritt des Erfolges ist dem A auch zurechenbar.

  • 1. Heinrich, AT, Rn. 219.
  • 2. Rengier, AT, § 12, Rn.6.
  • 3. Rengier, AT, § 13, Rn. 2.; Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 153.
  • 4. Rengier, AT, § 13, Rn. 1, § 10, Rn. 3f.; idS. auch Wessels/Beulke, AT, § 154.