E. Kontrahierungszwang
Problematisch sind die Fälle, in denen es nicht um lebensnotwendige, sondern „nur“ um bedarfsdeckende Güter handelt. Als Beispiel folgender Fall:
Beispiel 5: Marianne möchte sich eine Karte für das Theaterstück „Rote Rosen“ im Sommerprogramm des städtischen Theaters kaufen. Beim letzten Sommertheater schrieb sie einen Beitrag für die lokale Zeitung, in dem das Stück „Erdbeersahneschnitte“ nicht allzu gut wegkam. Da der Kartenverkäufer Mariannes Nachbar (Peter) ist, kennt er deren kritischen Beitrag und weigert sich, der Marianne eine Karte zu verkaufen. Zu Recht?
Lösung zu Beispiel 5: In einem Fall wie dem städtischen Theater handelt es sich nicht um ein typisches Unternehmen zur Daseinsversorgung, der Theaterbesuch ist nicht lebensnotwendig. Grundsätzlich ist ein Unternehmen wegen § 826 BGB nicht dazu verpflichtet, mit jedermann einen Vertrag zu schließen. Hier geht es jedoch um einen Monopolmissbrauch: Das Stadttheater hat die Monopolstellung für eine öffentliche Versorgungsleistung. Marianne kann nicht auf ein anderes Theater zurückgreifen. Peter jedoch verweigert in willkürlicher Weise und ohne sachlichen Grund den Abschluss eines Vertrages mit Marianne. Das Verfassen eines kritischen Beitrags in der Tageszeitung ist von der Meinungsfreiheit umfasst, nicht nur, weil es Mariannes Meinung preisgibt, sondern auch, weil das Schreiben kritischer Artikel zu den Aufgaben der Presse gehört. Dies muss das städtische Theater akzeptieren. Die beiden Voraussetzungen für die Anwendung des § 826 BGB sind also erfüllt: Das Theater hat eine Monopolstellung und verweigert in sittenwidriger Weise den Vertragsabschluss. Marianne hat demnach einen Anspruch auf das Abschließen eines Vertrags für die Vorstellung „Rote Rosen“.
- 1. Köhler, § 8, Rn.45 f; Rüthers/Stadler, § 3, Rn. 11.