a) Duldungsvollmacht

Von den gesetzlich geregelten Fällen der Rechtscheinsvollmacht sind diejenigen zu unterscheiden, die sich durch Rechtsprechung und Literatur entwickelt haben.1 Durch das Handeln des Vollmachtgebers und des Bevollmächtigten erscheint es für den Dritten so, als wenn eine Vollmacht vorliegt, obwohl diese nie erteilt wurde. Einer dieser Fälle ist die Duldungsvollmacht.

Voraussetzung einer Duldungsvollmacht ist zunächst die fehlende Vollmacht zwischen dem Vertretenen und dem vermeintlichen Vertreter. Weiterhin müsste der Vertreter im Namen des Vertretenen gehandelt haben. Grundsätzlich müsste dies sogar wiederholt geschehen sein (Ein Angestellter bestellt stets Waren für das Unternehmen, in dem er tätig ist, obwohl er laut Arbeitsvertrag dazu nicht befugt ist).2

Zusätzlich muss der Vertretene von den Handlungen des Vertreters gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben, obwohl die Möglichkeit dazu bestand. Er hat den Vertreter also bewusst gewähren lassen, dessen Verhalten geduldet.3 Eine Duldungsvollmacht kann jedoch nur angenommen werden, wenn der Dritte zusätzlich gutgläubig bezüglich der Vertretungsbefugnis war. Er dürfte also keine Kenntnis über deren Fehlen haben.4

Zur Annahme einer Duldungsvollmacht hätte im obigen Beispiel der Vorgesetzte also erstens die wiederholte Bestellung von Waren mitbekommen müssen. Zweitens hätte er die wiederholte Bestellung nicht unterbinden dürfen. Und schließlich dürfte der Geschäftspartner keine Kenntnis von der fehlenden Vertretungsmacht haben dürfen.

Unter dem Vorliegen dieser Bedingungen wird dem Dritten damit der Rechtschein vermittelt, dass der Vertreter mit Vollmacht handelte. Der Vertretene kann sich dann nicht auf deren Fehlen berufen.

  • 1. KÖHLER, BGB AT, 36. Aufl., § 11 Rn. 42 ff.
  • 2. LORENZ in JuS 2010, 771 (773); KÖHLER, BGB AT, 36. Aufl., § 11 Rn. 43.
  • 3. MOCK in JuS 2008, 391 (395).
  • 4. KÖHLER, BGB AT, 36. Aufl., § 11 Rn. 43.