cc) Ehegatten als Beschützergaranten

Auch die eheliche Lebensgemeinschaft stellt eine weitere familiäre Verbundenheit da und begründet somit grundsätzlich eine Garantenpflicht.1 Eheleute schulden sich also gegenseitigen Beistand in Gefahrensituationen, die auf wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben abzielen. Dass eine konstitutionelle Abhängigkeit fehlt, steht einer Garantenpflicht nicht entgegen.2 Die Ehe auf Lebensdauer bildet durch § 1353 BGB das formelle und gesetzlich normierte Kriterium für die Annahme einer Garantenpflicht. Dieser formelle Gesichtspunkt ist ausschlaggebend und stark ausgeprägt. Materielle Kriterien wie z.B. die Form der Lebensgemeinschaft, vorübergehende Trennungen sowie Krisen, lassen eine Garantenpflicht nicht entfallen.3

Fraglich erscheint an dieser Stelle daher, ab wann die Garantenpflicht unter Ehegatten überhaupt endet.

Einer Mindermeinung zufolge endet die Garantenpflicht dann, wenn die Ehe durch richterliches Urteil aufgelöst wird. 4 Zurückgeführt wird diese Ansicht auf § 1564 S. 2 BGB, wonach die Ehe mit Rechtskraft der richterlichen Entscheidung aufgelöst ist. Zuzugeben ist dieser Meinung zwar, dass sie in höchstem Maße Rechtssicherheit gewährleistet. Gleichzeitig missachtet sie jedoch die erforderlichen materiellen Bande, die zwischen Ehegatten bestehen, indem sie lediglich und einzig allein auf das formelle Kriterium der Eheauflösung abstellt.5

Einer anderen Ansicht nach endet das Vertrauen auf das Einstehen für den anderen in Gefahrensituationen bereits dann, wenn die Partner dauernd getrennt leben oder bereits in anderweitigen Beziehungen weilen. Eine Scheidung ist demnach nicht erforderlich, vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände der Situation an.6 Auch der BGH hat hierzu Stellung bezogen und lässt verlauten, dass die „strafrechtliche Garantenpflicht endet, wenn sich die Ehegatten vom anderen in der ernsthaften Absicht getrennt haben, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen.“7 Als Begründung wird hauptsächlich der Wegfall des Vertrauen unter den Eheleuten angeführt. 8 Denn in Fällen einer ernsthaften Trennung, unabhängig von einer Scheidung, vertraut keiner der beiden Ehegatten tatsächlich darauf, der andere würde ihm „zum Schutz seiner Rechtsgüter“ beistehen. Dafür besteht schlichtweg kein Anlass. 9

Die Schutzrichtung der Garantenpflicht bezieht sich lediglich auf Rechtsgüter des anderen. Bevormundungen oder Beaufsichtigungen werden demnach nicht erfasst und würden auch der Institution der Ehe zuwiderlaufen. Insofern sind der Garantenpflicht unter Ehegatten Grenzen gesetzt.10

Eine Übertragung dieser Grundsätze ist hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaft möglich, nicht dagegen ohne weiteres bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften.11

  • 1. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 56.
  • 2. Kühl, JuS 2007, 497 (501).; BGHSt 48, 301 (302).
  • 3. Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 18
  • 4. Geilen, FamRZ 1961, 147 (148).
  • 5. Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 19
  • 6. Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 19; Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 58.
  • 7. BGHSt 48, 301.
  • 8. Kühl, JuS 2007, 497 (501).
  • 9. BGHSt 48, 301 (305).
  • 10. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Wohlers, StGB-Kommentar, § 13, Rn.29.; Küfl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 59.
  • 11. Kühl, JuS 2007, 497 (501).