C. Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
Wie bereits erwähnt, kommt dem dolus eventualis als geringste Ausprägung des Vorsatzes, die Aufgabe zu, den Vorsatz von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen. Bei eben dieser Abgrenzung handelt es sich um eine der umstrittensten Fragen des deutschen Strafrechts. Die Abgrenzung ist praktisch betrachtet von hoher Bedeutung.1 Die Begründung liegt zum einen insoweit darin, dass fahrlässige Begehungsweisen gesetzlich normiert sein müssen. Problematisch ist dabei, dass nicht zu jedem vorsätzlichen Straftatbestand auch ein dazugehöriger Fahrlässigkeitstatbestand existiert. Daraus folgt, dass eine Ablehnung des Eventualvorsatz und mithin die Annahme einer bewussten Fahrlässigkeit, ggf. zur Straflosigkeit führen könnte. Zum anderen, gelangt das Gesetz im Falle einer Bestrafung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand zu einem erheblich milderen Strafrahmen als aus der vorsätzlich begangenen Norm.2
Derweilen bereitet die Abgrenzung erhebliche Schwierigkeiten, da beide Fallgruppen hinsichtlich ihrer Abgrenzungskriterien eng beieinander liegen.3 Sowohl bei der bewussten Fahrlässigkeit als auch bei dem Eventualvorsatz empfindet der Täter die Tatbestandsverwirklichung als möglich (kognitiv), rechnet also folglich damit. Die Ausprägungen der Wissenselemente gleichen sich also. Der umso wichtigere Unterschied ist dann innerhalb des Wollenselements zu sehen. Beim Eventualvorsatz nimmt der Täter den für möglich gehaltenen Erfolgseintritt hin und findet sich damit ab (voluntativ). Bei der bewussten Fahrlässigkeit hingegen vertraut der Täter darauf, dass der Erfolg nicht eintritt (voluntativ).4
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit besondere Aufmerksamkeit verlangt. Daher haben sich im Rahmen dieser Problemstellung mehrere Abgrenzungstheorien herausgebildet. Es ist zunächst grob zwischen kognitiven Theorien, die alleine auf das Wissenselement des Vorsatzes abstellen und den volitiven Theorien zu unterscheiden, welche das Wissenselement zusätzlich mit einer voluntativen Komponente anreichern, um zu einer dem Problem gerecht werdenden Abgrenzung zu gelangen.5
- 1. Roxin, AT I, § 12, Rn. 21f..; Rengier, AT, § 14, Rn. 17.; Krey/Esser, AT, § 12, Rn. 386.; Schmidhäuser, JuS 80, 241 (242).
- 2. Rengier, AT, § 14, Rn. 17.; ähnlich auch Krey/Esser, AT, § 12, Rn. 386.; Schmidhäuser, JuS 80, 241 (243.
- 3. Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 216.
- 4. Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 216.; ähnlich auch Heinrich, AT, Rn. 295.
- 5. Rengier, AT, § 14, Rn. 18.