b) Einverständliche Fremdgefährdung

Im Rahmen der einverständlichen Fremdgefährdung geht es um Fälle, in denen sich jemand nicht selbst vorsätzlich gefährdet, sondern sich im Bewusstsein des Risikos von einem anderen gefährden lässt.1 Zur Verdeutlichung sei zunächst der Beispielfall zu nennen, in dem Fahrgast F auch bei stürmischen Wetter von einem Fährmann über einen Fluss gesetzt werden will, obwohl dieser ihm dringlichen davon abrät, mit dem Resultat, dass das Boot tatsächlich kentert und F verstirbt.2 Ob eine eigenverantwortliche Selbstschädigung oder eine, davon abzugrenzende einverständliche Fremdgefährdung vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich danach, wer das Geschehen beherrscht. Das heißt, wer die Tatherrschaft über den Verletzungs- oder Gefährdungsakt inne hat. Dazu sind insbesondere die Grundsätze über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme heranzuziehen.3

Liegt die Tatherrschaft danach bei dem vermeidlichen Opfer, liegt eine freiverantwortliche Selbstgefährdung vor. Übt jedoch der Mitwirkende die Herrschaft aus, ist eine Fremdgefährdung zu bejahen.4

Umstritten ist in diesem Zusammenhang dann, ob im Falle einer Fremdgefährdung eben diese der Selbstgefährdung gleichzustellen, daher gleich zu behandeln ist und eine Zurechnung ggf. entfällt.5

Einer Ansicht zufolge, wird die Fremdgefährdung wie eine Selbstgefährdung behandelt, soweit das Opfer dennoch freiverantwortlich handelt. Das bedeutet, dass das Opfer die Risiken im gleichen Maße übersehen muss, wie der Außenstehende. Dies setzt idR. voraus, dass das Opfer zurechnungsfähig ist, mithin die oben genannten Voraussetzungen über die Freiverantwortlichkeit erfüllt sind. Die Fremdgefährdung wird also dann als Selbstgefährdung behandelt, wenn sie ihr in allen Merkmalen gleichsteht. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zugunsten des Täters ist also zu bejahen, wenn sich das Risiko im Erfolg realisiert und für alle Beteiligten gleichermaßen einsehbar gewesen ist. Im Ergebnis stehen sich nach dieser Ansicht die Selbst- und Fremdgefährdung dann gleich.6

Demgegenüber behandelt eine dem widerstreitende Ansicht die Fälle der einverständlichen Fremdgefährdung gänzlich anders, in dem sie die Regeln über die rechtfertigende Einwilligung anwendet. Während der eigenen Autonomie bei Selbstgefährdungen keinerlei Grenzen gesetzt sind, sollen für Fremdgefährdungen nunmehr die Beschränkungen, die sich aus den §§ 216, 228 StGB ergeben, auch hier Geltung erlangen.7 So konstatiere § 228 StGB, dass derjenige, der mit Einwilligung der verletzten Person eine Körperverletzung vornimmt trotzdem rechtswidrig handelt, wenn die Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Auch § 216 StGB stelle insoweit eine Tötung die auf Verlangen des Opfers begangen wurde unter Strafe. Aufgrund dieser Einschränkungen würde sich eine Zurechnung und mithin eine Strafbarkeit des Täter in den meisten Fällen ergeben.

  • 1. Roxin, AT, § 11, Rn. 121.
  • 2. RGSt 57, 172.; Roxin, § 11, Rn. 121.
  • 3. Rengier, AT, § 13, Rn. 81.; Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn.190.; Geppert, Jura 01, 490 (493).
  • 4. BGHSt 49, 166 (169); Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 190..
  • 5. So Geppert, Jura 01, 490 (493).; Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 190.
  • 6. Geppert, Jura 01, 490 (493).; m.w.N. Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 191.; Roxin, AT I, § 11, Rn. 121ff.; idS. auch Kühl, AT, § 4, Rn. 89.
  • 7. BGHSt 49, 166.; BGHSt 53, 55.