b) Die individuelle Handlungsmöglichkeit

Es versteht sich von selbst, dass die geforderte und unterlassende Handlung mit einer Handlungsfähigkeit verbunden sein muss. Die Handlung muss demnach nicht nur gefordert gewesen, sondern dem Täter auch physisch-real (d.h. tatsächlich) und individuell möglich gewesen sein. So kann eine Handlungsfähigkeit z.B. dann entfallen, wenn der Täter die Handlung aus persönlichen oder auch räumlichen Gründen nicht vornehmen kann.1 Ebenso bei völliger Handlungsunfähigkeit wie Ohnmacht und Lähmung etc.2 Ansonsten lässt lediglich eine „sicher voraussehbare Erfolglosigkeit eines sinnlosen Rettungsbemühens die Handlungspflicht entfallen.“3

Abzustellen ist dabei auf die objektive ex ante Perspektive.4 Es kommt ferner nur darauf an, ob sowohl die Gefahrenlage und etwaige Rettungsmittel objektiv erkennbar waren. Eine subjektive Beurteilung des Täters bleibt daher unbeachtlich, führt jedoch auf der Ebene des Vorsatzes zum Ausschluss der Handlungsmöglichkeit, da sich der Vorsatz auch auf diese erstrecken muss.5

Die Frage der etwaigen Zumutbarkeit einer Erfolgsabwendung wird indes erst auf der Schuldebene zu stellen sein.6 Ebenso ereignet es sich mit einer eventuellen Rechtspflichtverletzung. Auch diese Frage bleibt hinsichtlich der Tatbestandsebene unerheblich und ist insoweit auf der Rechtfertigungsebene insbesondere über § 34 StGB zu beantworten. 7

  • 1. Rengier, Strafrecht AT, § 49, Rn. 9.
  • 2. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 16, Rn. 708.
  • 3. BGHSt 48, 77, 92, BGH NStZ 00, 414 (415).
  • 4. Kindhäuser, Strafrecht AT, § 36, Rn. 9.
  • 5. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 31.
  • 6. Satzger/SchmittWidmaier/Kudlich, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 31.
  • 7. Satzger/SchmittWidmaier/Kudlich, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 9.