b) Anscheinsvollmacht
Zu unterscheiden von der Duldungsvollmacht ist die Anscheinsvollmacht. Auch in diesem Fall erhält der Vertreter keine Vollmacht vom Vertretenen und muss mehrfach im Namen des Vertretenen aufgetreten sein. Der Unterschied besteht hierbei darin, dass es dem Vertretenen nicht bewusst war, dass ein Anderer für ihn als Vertreter handelt, er aber bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt dies hätte erkennen und verhindern können. Gemeinsames Merkmal ist erneut die Gutgläubigkeit des Geschäftspartners im Hinblick auf die Vertretungsmacht.1 Zur Verdeutlichung folgt ein Beispielfall:
Beispiel 8: Die einzige Angestellte des Blumenladens (A) bestellt ohne die Kenntnis ihrer Geschäftsführerin (G) Wasserpflanzen jeglicher Art. A hatte den Eindruck, dass diese sich besonders gut verkauften. Die Rechnungen wurden auf den Schreibtisch von G gelegt. Ohne jedoch den genauen Wareneingang zu überprüfen, oder sich die einzelnen Posten der Rechnung anzusehen, bezahlte G seit einem halben Jahr die wöchentlich anfallenden Kosten. Als durch eine mysteriöse und noch bislang unbekannte Pflanzenkrankheit alle Wasserpflanzen sterben, bemerkt G ihre bisherige Nachlässigkeit. Um den Schaden zu umgehen, erklärt G gegenüber dem Pflanzenhändler H, dass A nicht dazu befugt war Wasserpflanzen einzukaufen und demnach keine Kaufverträge zwischen dem Blumenladen und dem Pflanzenhändler zu Stande gekommen sind.
A ist die einzige Angestellte des Blumenladens und tätigte über einen längeren Zeitraum die Bestellungen der Wasserpflanzen. Durch die fehlende Kontrolle des Wareneingangs und der Rechnungen, sind G diese Bestellungen entgangen. Die Kontrolle des Wareneingangs sowie der Rechnungen wie auch die Führung der Geschäftsbücher sind jedoch originäre Aufgaben eines Geschäftsführers, sofern er diese nicht an andere Personen delegiert hat. Wäre die G ihren Aufgaben nachgekommen und hätte die erforderliche Sorgfalt angewandt, so wäre das Verhalten der A sofort aufgefallen und die G hätte dies ohne große Probleme unterbinden können. A handelte hier mit Anscheinsvollmacht. Demzufolge sind wirksame Kaufverträge abgeschlossen wurden. Auch hier kann keine Anscheinsvollmacht vorliegen, wenn der Dritte (hier H) Kenntnis von der fehlenden Vollmacht hatte.
- 1. MUSIELAK, BGB AT, 12. Aufl., Rn. 828.