b) Abbruch eigener Rettungsbemühungen

Bei dieser Fallgruppe stellt sich hauptsächlich die Frage, ab wann der Abbruch einer eigenen Rettungsmaßnahme nicht mehr als Unterlassen, sondern bereits als aktives Tun zu werten ist. Grundsätzlich besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass der Abbruch eigener Rettungsbemühungen als Unterlassen zu verstehen ist. Angeführt wird, dass ein derartiger Abbruch nicht anders zu beurteilen sei, als eine von vornherein unterlassene Rettungsmaßnahme. Diese Fälle sind auch unter dem Begriff „Rücktritt vom Gebotserfüllungsversuch“ bekannt. Das Tun ist also darin zu sehen, dass der Täter von dem Versuch ein Gebot zu erfüllen (dem Opfer zu helfen) zurücktritt. Ein solches „Tun“ ist dann dem Unterlassen zu zuordnen und zwar in der Art als dass das Gebot, zu helfen, durch aktives Eingreifen verhindert wird.1

Schwierigkeiten ergeben sich jedoch in solchen Konstellationen, in denen sich das Rettungsgeschehen schon soweit in die Richtung des Opfers manifestiert hat, das eben dieses kurz vor seiner Rettung steht. Die wohl h.M. argumentiert, dass die derzeitige Lage des Opfers durch die bereits weit fortgeschrittene Rettungshandlung des Täters „normalisiert“ wird. Indem der Täter nun seine einstigen Rettungsbemühungen wieder abbricht, verschlechtert er in diesem Sinne durch Aktivität die Lage des Opfers und zwar in dem er die vorige Gefahrenlage wieder herstellt. Hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunktes ist dann drauf abzustellen, ob der rettende Kausalverlauf die Opfersphäre erreicht hat. Mit anderen Worten ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Rettungsmaßnahme von dem Versuch in das Vollendungsstadium übergegangen ist. Ist dies der Fall, fällt die Vereitelung unter die Begehungsdelikte.2

Einer Gegenmeinung zufolge, muss der rettende Kausalverlauf die Opfersphäre nicht unbedingt erreichen. Der Abbruch eigener Rettungsbemühungen ist demnach bereits dann als aktives Tun zu werten, „wenn der Retter einen von ihm in Gang gesetzten hypothetischen Kausalverlauf abbricht, der das Oper mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet hätte“.3

  • 1. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 21.; Roxin, Strafrecht AT II, § 31, Rn. 109.; Joecks, StGB-Kommentar, § 13, Rn. 15.
  • 2. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 21.; Roxin, Strafrecht AT II, § 31, Rn. 110.; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 16, Rn. 702.
  • 3. Rengier, Strafrecht AT, § 48, Rn. 22.