aa) Polizeibeamte und Garantenstellung
Ob sich für Polizeibeamte eine öffentlich-rechtliche Obhutspflicht hinsichtlich strafrechtlich geschützter Individualrechtsgütern ergibt und somit eine Garantenstellung ausgelöst wird, ist umstritten.1 Diskutiert wird, ob der Polizeibeamte dazu verpflichtet ist, den Bürger vor Gefahren zu schützen, die von Dritten ausgehen.
Einer Ansicht zufolge ist dies abzulehnen. Als Begründung wird angeführt, dass der einzelne, mit Notwehrrechten und der gleichen ausgestattete Bürger durchaus fähig sei, sich selbst genügend zu schützen. Der Bürger ist also für seinen eigenen Schutz verantwortlich. Die polizeiliche Pflicht zu helfen, beschränkt sich dann jedenfalls nur auf die allgemeinen Pflichten zur Hilfe in Notfällen, wie auch bei den Bürgern untereinander gemäß §§ 138, 323c StGB. Die polizeiliche Verpflichtung bezieht sich also lediglich auf die Sicherheit der öffentlichen Ordnung. Eine Garantenpflicht hinsichtlich des dadurch bedrohten Menschen, ergebe sich jedoch nicht. Den Privaten dann doch zu schützen sei daher „nur Reflex- und Nebenwirkung“ der eigentlich anders gearteten Berufspflicht (= Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung).2
Die überwiegende Auffassung hingegen bejaht eine polizeiliche Garantenpflicht.3 Vorausgesetzt sei jedoch eine vorliegende drastische Gefahr wie eine Bedrohung für das Leben, in der eine individuelle Sicherung ausscheidet.4 In solchen Situation ist der Bürger nämlich trotz Notwehrrechte und dergleichen oft schutzlos und verlässt sich auf den Schutz der Polizei.5 Daher begründet die polizeiliche Pflicht, den Bürger zu schützen eine Obhutspflicht und demnach eine Beschützergarantenstellung.6 Die Pflicht ergibt sich grundsätzlich im Rahmen der polizeilichen Dienstausübung. So kann eine Pflicht außerhalb des Dienstes nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn die einschlägigen Delikte das öffentliche Interesse „nachhaltig tangieren“. 7