aa) Eltern - Kind - Verhältnisse und Verwandte in gerader Linie als Beschützergaranten

Grundsätzlich besteht zwischen Eltern und ihren Kindern eine Garantenpflicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem Kind um ein Kleinkind handelt, das noch unfähig ist, alleine zu überleben, und des Schutzes der Eltern demnach in besonderem Maß bedarf.1 Auch Minderjährige werden grundsätzlich erfasst. Solche Obhutspflichten treffen aber nicht nur die leiblichen Eltern, sondern auch Adoptiv-, Groß-, und Pflegeeltern.2

Hinsichtlich der Begründung einer solchen Pflicht, ist dann darauf abzustellen, dass die Eltern das Kind „ins Leben gerufen haben“ und daher auch verantwortlich ihm gegenüber sind.3 Ferner sind mit den Rechten der Eltern auch gewisse Pflichten verbunden, die sich insbesondere in der Obhutspflicht niederschlagen.4 Des Weiteren sind derartige Verpflichtungen der Eltern gegenüber ihren Kindern gesetzlich durch §§ 1618a, 1626 BGB normiert. Daraus ergibt sich auch, dass eine konstitutionelle Abhängigkeit der Kinder nicht erforderlich ist, die Garantenpflicht der Eltern also nicht notwendigerweise vom Alter des Kindes abhängt.5 Daher besteht die Garantenpflicht auch gegenüber Minderjährigen fort, die eigentlich nicht mehr konstitutionell von ihren Eltern abhängig sind.6 Erwachsene Kinder werden jedoch nur erfasst, wenn zwar die häusliche Bande aufgelöst sind, aber die familiäre Lebensgemeinschaft fortdauert.7

Doch sind auch gewisse Grenzen der Obhutspflicht zu konstatieren. So muss nicht bei jedem gefährlich Verhalten des Kindes, das sich lediglich ausprobieren will, eingeschritten werden, es sei denn, es besteht die Gefahr einer erheblichen Verletzung. 8

Eine Garantenstellung von erwachsenen Kindern gegenüber ihren Eltern ist grundsätzlich zu bejahen.9 Grund dafür sind die materiellen Familienbande. Dies wird durch die gegenseitige Beistandspflicht des § 1618a BGB sowie die Unterhaltspflicht der Kinder aus § 1601 BGB gestützt. Bei der Unterhaltspflicht der Kinder handelt es sich jedoch nicht um ein echtes formelles Kriterium.10 Auch hier ist keine häusliche Gemeinschaft erforderlich. Ausschlaggebend ist die familiäre Verbundenheit, die i.d.R. auch bei losem Kontakt fortwirkt.11

Zu merken ist ferner, dass allgemein alle Verwandten in gerader Linie (§ 1589 S.1 BGB) grundsätzlich natürlich verbunden sind und eine Garantenpflicht demnach begründet wird.12 Dies gilt zunächst einmal dann, wenn eine häusliche Familiengemeinschaft besteht. Fraglich erscheint daher, ob auch nach der Beendigung der Hausgemeinschaft die Garantenpflicht fortwirkt. Das ist grundsätzlich der Fall, da die formelle Bande die Auflösung der Hausgemeinschaft heilt. Voraussetzung ist jedoch auch hierfür, dass die familiäre Beziehung trotz häuslicher Auflösung erhalten bleibt. Anders liegt demnach der Fall dann, wenn das Verhältnis zerrüttet ist, das volljährige Kind z.B. auf Grund eben dieser Zerrüttung auszieht.13

  • 1. Kühl, JuS 2007, 497 (500).
  • 2. Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 13.
  • 3. Freund, 1992, S. 273.
  • 4. Freund, 1992, S. 274.
  • 5. Gallas, 1989, S. 92f.
  • 6. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 50.
  • 7. Kretschmer, Jura 2006, 898 (900).
  • 8. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 51.
  • 9. BGHSt 19, 167.
  • 10. BGHSt 19, 167 (168).
  • 11. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 55.
  • 12. Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 47.; Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 14.
  • 13. Rengier, Strafrecht AT, § 50, Rn. 14.