4. Die Objektive Zurechnung beim Unterlassungsdelikt
An dieser Stelle sei zunächst anzumerken, dass auch hinsichtlich der Quasikausalität die allgemeinen Grundsätze der objektiven Zurechnung gelten. Um auch bei den Unterlassungsdelikten einer Ausuferung der Erfolgszurechnung vorzubeugen, wird auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abgestellt, welcher atypischen Kausalverläufen entgegenwirkt. 1 Die grundsätzliche Formel der objektiven Zurechnung lautet dann wie folgt: „Im Erfolg muss sich die Gefahr (Risiko) realisieren, die der Täter durch die pflichtwidrige Unterlassung der gebotenen Rettungshandlung geschaffen hat.“2
Als besondere Fallgruppe der objektiven Zurechnung gilt im Rahmen der Unterlassungsdelikte der Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Hierbei ist zu fragen, ob der Erfolg auf die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens zurückzuführen ist. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens in der Verletzung desjenigen Gebots liegt, das dem Schutz des betroffenen Rechtsguts (z.B. Leib und Leben) dient. 3
Zu bejahen ist ein solcher Pflichtwidrigkeitszusammenhang dann, wenn die geforderte Rettungsmaßnahme in der Gefahrensituation die Erfolgsabwendung herbeigeführt hätte (das Rechtsgut also erhalten worden wäre), das Leben gewichtig verlängert oder zu einer nicht unwesentlich geringeren Verletzung geführt hätte.4
Demgegenüber ist ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen, wenn selbst bei pflichtgemäßen Verhalten der gleiche tatbestandliche Erfolg, der lediglich anders gestaltet ist (z.B Tod durch Rauchvergiftung, oder Tod durch Flucht aus dem Fenster) eingetreten wäre. Ebenso liegt es bei „gleich schwer wiegenden Werteinbußen“. Der Erfolg ist demnach dem Täter dann nicht zuzurechnen, wenn er den Erfolg zwar in seiner konkreten Gestalt, nicht aber hinsichtlich des zu erhaltenden Rechtsguts hätte vermeiden können.5