3. Alternative Kausalität

Bei der alternativen Kausalität oder auch Mehrfach- oder Doppelkausalität, fallen zwei Handlungen unabhängig voneinander zeitlich zusammen, wobei jede für sich den Erfolg auch alleine herbeigeführt hätte. Beide Alternativen müssen in einem gleichen Tod zum gleichen Zeitpunkt übereinstimmen.1

Beispielhaft sei hier der klassische Schulfall anzuführen, in dem das Opfer O sowohl durch A als auch durch B vergiftet wird, da beide unabhängig voneinander jeweils eine tödliche Menge Gift in das Essen des O gemischt haben.2

Auch bei dieser Art von Fällen wird deutlich, dass die Äquivalenztheorie in ihrer Urform nicht stehen bleiben kann, denn würde man die erste Handlung hinwegdenken (Gift des A), würde abermals zumindest die zweite Handlung (Gift des B) den Erfolgseintritt herbeiführen. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, weswegen nach der h.M. eine Modifizierung der Äquivalenztheorie erforderlich erscheint. Die konkretisierte Formel lautet dann: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich.3

Eine andere Ansicht kritisiert jedoch eine derartige Korrektur der Formel über die Äquivalenztheorie und lehnt eine solche schlichtweg ab. Dieser Ansicht zufolge wird stattdessen die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingungen herangezogen, sodass die Äquivalenztheorie erst gar nicht zum Tragen kommt. Danach kann eine Kausalität erst dann angenommen werden, wenn festgestellt wurde, dass das Gift real wirksam geworden ist. Dazu müssten beide Substanzen entweder zusammen den Tod verursacht – denn auch nach dieser Theorie sind alle Handlungen als gleichwertig zu betrachten – oder die doppelte Menge den Tod beschleunigt haben. Kann dies nicht nachgewiesen werden, bzw. wenn das Gift des A zum Erfolgseintritt führte, bevor das Gift des B überhaupt wirksam werden konnte, kommt für B lediglich eine Versuchsstrafbarkeit in Frage. Wurde festgestellt, dass nur eines der Gifte wirksam geworden ist, wobei jedoch nicht mehr nachweisbar ist, welches der Gifte, also das des A oder des B den Erfolgseintritt herbeigeführt hat, werden sowohl A als auch B aus dem Versuch bestraft. Dies folge aus dem Grundsatz „in dubio pro reo“.4

Gleiches gilt in solchen Fällen auch nach der oben ausgeführten h.M.5

  • 1. BGHSt 39, 195 (198).; Heinrich, AT, Rn.228.; Rengier, AT, § 13, Rn. 26.
  • 2. Kühl, AT, § 4, Rn. 19.
  • 3. BGHSt 39, 195 (198).; Krey/Eser, AT, § 11, Rn. 317.; Heinrich, AT, Rn. 229.; Rengier, AT, § 13, Rn. 28.; Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 157.; Kühl, AT, § 4, Rn. 19.; Sch/Sch/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13ff., Rn. 82.
  • 4. Roxin, AT I, § 11, Rn. 25.
  • 5. Kindhäuser, AT, § 10, Rn. 36.