1. Die Vermeidungstheorie

Die Vermeidungstheorie stellt dem Namen nach grundsätzlich darauf ab, ob sich der sogenannte Vermeidewille des Täters objektiv manifestiert hat. Demnach handelt ein Täter dann mit Eventualvorsatz, wenn er den Einsatz von Gegenfaktoren zur Vermeidung der Gefahr nicht vollzogen hat.1 Die Vermeidungstheorie oder terminologisch präziser „die Theorie des nicht betätigten Vermeidewillens“2 geht ihrem Grundsatz nach von einem Verwirklichungswillen aus, der sich sowohl auf den für möglich gehaltenen Erfolg bezieht als auch auf die Vermeidung der Nebenfolge.3

Ist dieser Dualismus gegeben, ist nach der Vermeidungstheorie immer die bewusste Fahrlässigkeit zu bejahen und der Täter aus dem Vorsatzdelikt folglich nicht mehr zu bestrafen. Das bedeutet, dass bewusste Fahrlässigkeit dann vorliegt, wenn der Täter bei seiner auf den Erfolg gerichteten Handlung zur gleichen Zeit Gegenfaktoren einsetzt, durch die er versucht den Ablauf derart zu steuern, dass die als möglich vorgestellte Nebenfolge nicht eintritt.4

Eine dem widerstreitende Ansicht konstatiert jedoch, dass es nicht maßgebend sein kann, ob der Täter die Gegenfaktoren bzw. -maßnahmen tatsächlich ergreift. Bezeichnend sei lediglich, ob der Täter die für möglich gehaltene Tatbestandsverwirklichung leichtfertig „beiseite schiebt“ und darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintritt; oder die Gefahr der Eintritts ernst nimmt und somit die letztliche Entscheidung zur Tatbestandserfüllung trifft.5

  • 1. Kaufmann, ZStW 70, 64 (74).; Schünemann, JA 75, 787 (790).
  • 2. so die Terminologie bei Roxin, AT I, § 12, Rn. 53.
  • 3. Kaufmann, ZStW 70, 64 (74).
  • 4. Kaufmann, ZStW 70, 64 (77f.).
  • 5. Rudolphi, § 15, Rn. 42.