1. Ausdrückliche oder konkludente Äußerung
Zeichen? Dafür zwei Beispiele:
Beispielfall D: Hans Hungrig (H) möchte wie jeden Tag früh frische Brötchen kaufen. An der Theke begrüßt er den Verkäufer (V) und sagt „Drei Mehrkornbrötchen bitte!“ V reicht ihm die Brötchen und antwortet „1,30€ bitte!“ H legt den passenden Betrag auf den Tisch, nimmt die Brötchen und geht wieder.
Beispielfall E: Danach möchte H zur Uni fahren. Dafür steigt er in die Straßenbahn ein. Niemand kontrolliert ihn auf der Fahrt. An der gewünschten Haltestelle steigt er aus der Straßenbahn wieder aus.
Eine Ausdrückliche Willenserklärung bedeutet, mittels Wort oder Text den Willen ausführlich zu übermitteln.1 Aber auch Erklärungen durch konkludentes (=schlüssiges) Verhalten werden als wirksam angesehen. Relevant kann hier jedes, für das jeweilige Rechtsgeschäft passende, sozialtypische Verhalten sein.2
Man könnte meinen, der Unterschied zwischen den beiden Fällen läge klar auf der Hand: In Fall D kommen nur ausdrückliche Willenserklärungen vor, während hingegen im Fall E es zu einer Erklärung durch konkludentes Verhalten des H kommt. Dies ist jedoch so nicht ganz richtig. Sehen wir es uns genauer an: Im Fall D wurde ausdrücklich von H erklärt, wie viele und welche Brötchen er haben möchte. Dies war jedoch nur eine Willenserklärung von mehreren die von H übermittelt worden ist. Betrachten wir den Fall, in dem wir alle darin vorkommenden Willenserklärungen ausdrücklich ausformulieren:
„Hans Hungrig (H) möchte wie jeden Tag früh frische Brötchen kaufen. An der Theke begrüßt er V und sagt „Ich mache ein Angebot zum Kauf von drei Mehrkornbrötchen zum Preis von jeweils 0,30 €“. V antwortet: „Ich nehme das Angebot an. Drei Brötchen kosten insgesamt 0,90 €“. Daraufhin überreicht V die Brötchen H und sagt: „Hiermit übereigne ich Ihnen drei Mehrkornbrötchen.“ H nimmt die Brötchen und meint daraufhin: „Ich nehme diese Übereignung an.“ und erwidert, indem er V das Geld hinstreckt: “Hiermit übereigne ich ihnen 1,30€“. V sagt darauf: „Ich nehme die Übereignung des Geldes an. Die Erfüllung des Kaufvertrages ist für mich hiermit eingetreten.“ H sagt nun „Für mich ist mit Erhalt der Brötchen ebenfalls Erfüllung eingetreten.“ Daraufhin verlässt H die Bäckerei.“
Dieses Verhalten von H und V ist juristisch gesehen überaus korrekt (= rabaulistisch). Mit der Realität hat es jedoch wenig zu tun. Deswegen akzeptiert unsere Rechtsordnung auch die Wirksamkeit von Willenserklärungen, die durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden. Schlüssiges Verhalten bedeutete im Beispielfall D die Entgegennahme der Brötchen und das Überreichen des Geldes. Es ist allgemein anerkannt, dass der Käufer, der Geld auf die Ware legt, dies zur Bezahlung des Kaufpreises dem Verkäufer übereignet.
Auch im Beispielfall E gibt H eine schlüssige Erklärung ab: Indem er in die Straßenbahn einsteigt und eine Strecke fährt, schließt er einen Beförderungsvertrag mit dem Betreiber der Straßenbahn ab. Es macht also für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts keinen Unterschied, ob die Willenserklärung schlüssig oder ausdrücklich auf den Weg gebracht wurde.