§§812 - 822 Ungerechtfertigte Bereicherung

Die Ungerechtfertigte Bereicherung nach §§812ff. BGB

I. Einführung

Der Sinn und Zweck der §§812ff. BGB besteht darin, einen nicht gerechtfertigten Zuwachs an Vermögenswerten rückgängig zu machen. Es geht also um eine gerechte Verteilung von Vermögenswerten. Während es im Schadensersatzrecht darum geht, eine einen Vermögensverlust auszugleichen, geht es im Bereicherungsrecht darum, eine ungerechtfertigte Vermehrung des Vermögens des Schuldners rückgängig zu machen1.
Das Bereicherungsrecht geht auf die römische Klageart der "condictio" zurück, mit der der römische Bürger von einem anderen Bürger eine Bereicherung zurückfordern konnte, die dieser ungerechtfertigt erlangt hatte. Die Formulierung "condictio" findet sich noch im heutigen Bereicherungsrecht, wenn von der "Leistungskondiktion" oder der "Nichtleistungskondiktion" die Rede ist2.

So und nun müssen wir uns noch kurz damit beschäftigen, warum es das Bereicherungsrecht geben muss und machen dazu einen Ausflug in das erste Semester des juristischen Studiums und landen beim Abstraktionsprinzip:

Das Abstraktionsprinzip macht es ja möglich, trotz eines unwirksamen Verpflichtungsgeschäfts, wirksam eine dingliche Verfügung vorzunehmen. Kauft jemand ein Auto bei einem Gebrauchtwagenhändler und wird der Kaufvertrag auch dinglich vollzogen (also das Auto und der Kaufpreis übereignet), so haben wir unstreitig das vorliegen, was beide Parteien wollten. Ist der Kaufvertrag jedoch nach dem Übereignungsvorgang von Anfang an nichtig geworden, weil der Käufer von dem Gebrauchtwagenhändler über's Ohr gehauen wurde und dann die Anfechtung erklärt hat, befindet sich das Auto auf Grund des Abstraktionsprinzips immer noch im Eigentum des Käufers und der Kaufpreis steckt immer noch in der Tasche des bösen Gebrauchtwagenhändlers (die im juristischen Studium ja stets leiden müssen).

Nun muss natürlich geregelt sein, wie der Käufer wieder an sein Geld kommt und der Händler an sein Auto und genau hier greift das Bereicherungsrecht ein. Die beiderseitigen Vermögensmehrungen stehen nämlich ohne rechtlichen Grund da und das Gesetz möchte, dass dies rückgängig gemacht wird3.
 
 
II. Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion
Oben schon kurz erwähnt widmen wir uns jetzt den beiden Untergliederungen des Bereicherungsrechts. Es handelt sich, kurz gesagt, um die verschiedenen Wege, wie jemand zu einer Bereicherung kommen kann und die gröbste Unterscheidung lässt sich auch ganz einfach aus dem Gesetz entnehmen - lesen wir §812 I S.1 BGB:
Wer durch Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.
Wir unterscheiden also, ob jemand etwas durch eine Leistung bekommt (Leistungskondiktion) oder ob jemand etwas in sonstiger Weise erhält (Nichtleistungskondiktion). Das zieht sich durch das komplette Bereicherungsrecht hindurch (wobei natürlich innerhalb der beiden Kategorien noch diverse Unterkategorien unterschieden werden). Hier eine zum Überblick gedachte Auflistung der verschiedenen Anspruchsgrundlagen des Bereicherungsrechts und ihre Einordnung in Leistungs- bzw. Nichtleistungskondiktion:
 
  Bereicherungsrecht  
Leistungskondiktion   Nichtleistungskondiktion

§ 812 I S.1 Alt.1 BGB
§ 812 I S.2 Alt.1 BGB
§ 812 I S.2 Alt.2 BGB
§ 813 I S.1 BGB
§ 817 S.1 BGB

  § 816 I S.1 BGB
§ 816 I S.2 BGB
§ 816 II BGB
§ 822 BGB
§ 812 I S.1 Alt.2 BGB

 

1. Die Leistungskondiktion
Wie oben schon gesagt, geht es bei der Leistungskondiktion darum, dass jemand durch Leistung das Vermögen eines anderen vermehrt. Da stellt sich die Frage, was denn überhaupt eine Leistung ist:

Unter einer Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen4.

Es geht also einmal um die Mehrung des fremden Vermögens als solche und zum anderen darum, dass diese Mehrung bewusst und zweckgerichtet sein muss. Die letztgenannten Merkmale sind hierbei die entscheidenden. Denn eine Vermögensmehrung ist ja die grundsätzliche Voraussetzung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs. Dahingehend besteht kein Unterschied zur Nichtleistungskondiktion5. Es kommt also auf das Bewusstsein, das Vermögen eines anderen zu mehren, und auf die Zweckrichtung an.

Wenn wir uns das am obigen Beispiel mit dem Autokäufer und dem Gebrauchtwagenhändler verdeutlichen wollen, könnte man sagen, dass der Käufer des Autos mit der Zahlung des Kaufpreises seiner Verpflichtung aus dem mit dem Gebrauchtwagenhändler geschlossenen Kaufvertrag nachkommen wollte und dies auch (selbstredend) bewusst tat.
Dass der Kaufvertrag im nachhinein ex tunc nichtig ist spielt dabei jedoch keine Rolle. Abzustellen ist hier vielmehr auf das Bewusstsein und den Willen zum Zeitpunkt der Vermögensmehrung und da ging der Käufer von der Wirksamkeit des Vertrags aus.

Okay - wie wird das Ganze nun aufgebaut? Die Leistung ist ja nicht das einzige Tatbestandsmerkmal (wobei wir uns erst mal um §812 I S.1 Alt.1 BGB kümmern wollen). Also wollen wir uns mal die Prüfungsreihenfolge anschauen:

Aufbau §812 I S.1 Alt.1 BGB
1. Etwas erlangen
2. Durch die Leistung eines anderen
3. ohne rechtlichen Grund
4. Rechtsfolgen §§812 I S.1, 818 BGB

a) zu 1. Etwas erlangen
Bleiben wir mal bei dem Autokaufbeispiel und gehen die einzelnen Prüfungsschritte durch und zwar in dem Verhältnis Käufer gegen Händler. Dann müsste der Händler erst mal "etwas" erlangt haben.

Unter "etwas" ist jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen, der anzunehmen ist, wenn sich die Vermögenslage des Schuldners verbessert hat6.

So nun Obacht. Denn wir sind ja beim Thema Jura und da reicht es nicht, dass man sagt, der Gebrauchtwagenhändler hätte hier das Geld vom Käufer bekommen. Tatsächlich übereignet der Käufer dem Händler Geldscheine und Münzen durch die sich sein Vermögen um einen bestimmten Wert vermehrt. Ähnliches zu beachten ist, wenn der Käufer dem Händler das Geld überwiesen hätte. Denn dann hätte der Händler bei Gutschrift auf seinem Konto nicht das Geld erhalten, sondern einen Anspruch gegenüber seiner Bank auf Auszahlung des überwiesenen Betrages.

Weiterhin ist dieser vermögenswerte Vorteil sehr weit auszulegen und umfasst sowohl Aktiva, die dem Vermögen hinzugefügt werden (z.B. durch Eigentumserwerb), als auch wegfallende Passiva (ersparte Aufwendungen)7.
 

b) zu dem zweiten Punkt (durch Leistung) gilt das, was oben bereits gesagt wurde, sodass eine Wiederholung hier erspart wird.
 

c) zu 3. ohne rechtlichen Grund
So und nun wird es ein bisschen anspruchsvoller, denn hier lernen wir die weiteren Unterkategorien der Leistungskondiktion kennen, die sich nämlich nach ihrem (nicht vorhandenen) Rechtsgrund aufspalten.

Es geht ganz allgemein um die Frage, ob der Gebrauchtwagenhändler das Geld auch tatsächlich behalten darf - der Rechtsgrund ist als Behaltensgrund zu verstehen. Liegt ein solcher nicht vor, darf er das Empfangene nicht behalten. Ein solcher Rechtsgrund ist bei der Leistungskondiktion grundsätzlich ein Schuldverhältnis, auf das sich die Leistung bezieht8.

So und nun zu den einzelnen Untergliederungen, die sich dann auch in die verschiedenen oben genannten Anspruchsgrundlagen aufgliedern lassen. Der Prüfungsaufbau ist nämlich bei allen Leistungskondiktionen derselbe. Nur auf der Ebene des Rechtsgrundes unterscheiden sich die Anspruchsgrundlagen und sollten daher auch in ihren unterschiedlichen Varianten angewandt werden:
 

aa) Condictio indebiti - §812 I S.1 Alt. 1 BGB / §813 I S.1 BGB
Die Condictio indebiti ist sozusagen der Standardfall für die nicht vorhandene Existenz eines Rechtsgrundes. Sie betrifft die Fälle die Fälle in denen von Anfang an keine Verbindlichkeit bestand - ein Vertrag also gar nicht erst zu Stande gekommen ist.

Beispiele: (1.) Die Vertragsparteien einigen sich nicht über vertragswesentliche Bestandteile und eine Partei leistet trotzdem im Glauben daran, dass der Vertrag zu Stande gekommen ist.
(2.) Eine Schuld wird zwei Mal beglichen.

 
 
 bb) Condictio ob causam finitam - §812 I S.2 Alt. 1 BGB9
Hier kommt man zu einem Bereicherungsanspruch, wenn der rechtliche Grund später wegfällt, z.B. wenn das Verpflichtungsgeschäft auflösend bedingt oder befristet ist. Auch gehören Fälle in diese Kategorie, bei denen der Eigentümer eine Sache wiedererlangt, nachdem ein anderer dafür Schadensersatz geleistet hat oder eine Versicherung dafür eingesprungen ist. Auch könnte bei Nichtrückzahlung eines fälligen Kredits der Anwendungsbereich eröffnet sein, was damit begründet wird, dass mit Ende des Kreditvertrags bzw. mit Fälligkeit einer Rückzahlungsrate der Rechtsgrund für die Nutzung des Geldes wegfällt.

So und nun schauen wir mal wieder auf den Fall mit unserem Gebrauchtwagenhändler. Der zwischen diesem und dem Käufer geschlossene Kaufvertrag wurde vom Käufer (erfolgreich) angefochten. Nun stellt sich natürlich die Frage, wo dies einzuordnen ist. Die erfolgreiche Anfechtung lässt den Vertrag ja mit ex-tunc Wirkung nichtig werden (§142 I BGB) und damit wären wir bei der condictio indebiti. Man könnte sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass zum Zeitpunkt der Leistung der Vertrag noch nicht angefochten wurde und dieser erst im Nachhinein für von Anfang an nichtig erklärt wurde. Damit wären wir bei der condictio ob causam finitam. Und genau diese beiden Ansätze werden zu der Problematik auch vertreten:

  1. Die erste Ansicht stellt also eher auf die Wirkung der Anfechtung ab und kommt somit zu dem Ergebnis, dass die condictio indebiti anwendbar sein soll10.
  2. Die andere Ansicht führt den Wortlaut des §142 I BGB ins Feld, der besagt, dass das angefochtene Rechtsgeschäft nur von Anfang nicht anzusehen sei, es aber tatsächlich nicht sei. Demnach wäre die condictio ob causam finitam anwendbar11.
Da es sich hier (nur) um einen Streit handelt, der den Prüfungsaufbau betrifft, entscheidet man sich hier für eine Meinung, ohne sich dazu zu äußern und befolgt diese dann.
 

cc) Condictio ob rem oder condictio causa data causa non secuta - §812 I S.2 Alt. 2
Hier geht es darum, dass der mit der Leistung  nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt12. Der Bereicherte hat also etwas vom Leistenden bekommen, womit dieser einen bestimmten Zweck verfolgt hat. Dieser bleibt nun aus und stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen das Geleistete zurückgefordert werden kann.
Fraglich ist bereits, was mit dem Wort "Zweck" gemeint sein könnte. Dieser kann zumindest schon einmal nicht ein rechtsgeschäftlich vereinbarter Leistungszweck sein13. Das ist ja auch logisch, denn der Leistungszweck ergibt sich aus dem Rechtsgeschäft per se (z.B. die Kaufsache zu übereignen, um der Pflicht aus §433 I BGB nachzukommen). Fällt dieser weg, fällt auch das Rechtsgeschäft und dann ist die condictio indebiti einschlägig bzw. das Leistungsstörungsrecht. Hat der andere Teil also einen Anspruch gegen den anderen Teil auf Herbeiführung des bezweckten Erfolgs, ist die condictio ob rem nicht einschlägig14. Auch soll die condiction ob rem ausscheiden, wenn der bezweckte Erfolg zur Bedingung erhoben wurde (hier kommt dann §158 II BGB in Betracht) oder der erstrebte Zweck nur ein unverbindliches Motiv des Leistenden ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Bereicherte letztlich nichts von dem Zweck weiß15.

Bsp.: Die Enkelin schenkt ihrem Opa eine Schachtel von dessen Lieblingspralinen. Er weiß jedoch nicht, dass seine Enkelin dies nur tut, um ihn dazu bewegen, ihre Studiengebühren zu zahlen.

Hier kann die Enkelin nicht die Schachtel Pralinen bzw. den Wertersatz der Pralinen über die condictio ob rem zurückfordern, wenn der Großvater nicht ihre Studiengebühren bezahlt, denn der Großvater wusste nichts von Ihrem Motiv. 

Die einseitige Erwartung des Leistenden genügt also nicht, um das Geleistete zurückfordern zu können. Das klingt auch fair: Nur weil eine Person etwas von jemandem erhält, muss damit ja nicht gleichzeitig immer eine Gegenleistung verbunden sein. Vor allem, wenn der Bereicherte nichts von dem erstrebten Erfolg weiß, wäre es unangemessen ihn wieder zu entreichern.

Dann schauen wir uns mal die verschiedenen Zwecke an, die für eine Anwendung  der condictio ob rem einschlägig sein könnten (nur exemplarisch!):
 

  1. Der bezweckte Erfolg liegt in der Begründung eines Schuldverhältnisses
    Der Leistende will also mit seiner (ungeschuldeten) Leistung den anderen Teil dazu bewegen, einen Vertrag mit ihm abzuschließen.

    Bsp.: (1) Student S möchte sich ein neues Auto kaufen. Beim Autohändler H leistet S eine Anzahlung auf das, um den Händler zum Vertragsschluss zu bewegen. Nachdem sich H über die Bonität des S informiert hat, lehnt er jedoch einen Vertragsschluss ab.

    (2) K möchte das Haus des V kaufen. Obwohl beiden bekannt ist, dass der Vertrag formnichtig ist (vgl. §311b I 1 BGB), leistet der K, um den V zur Heilung der Formnichtigkeit zu bewegen (vgl. §311b I 2 BGB). Es kommt jedoch nicht zur Auflassung und zur Grundbucheintragung.

     

  2. Der Empfänger soll zur Abgabe / Nicht-Abgabe einer einseitigen Willenserklärung veranlasst werden.

    Bsp.: (1) A arbeitet als Buchhalter im Unternehmen des U. Dort unterschlägt er regelmäßig Geld. Als das herauskommt, schlägt er dem B vor, die unterschlagene Summe als Darlehen zu sehen, das er nun zurückzahlen werde. Als Sicherheit würde sein Bruder B für die Summe bürgen, aber nur, wenn der U keine Strafanzeige stellt. Stellt der U trotzdem eine Strafanzeige kann B kondizieren.

Es geht also darum, den Empfänger der Leistung zu einem nicht geschuldeten Tun oder Unterlassen zu bestimmen16, wobei der Anspruchsgegner derjenige ist, der zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden soll. Leistet A  also an C, um den B zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, kann A  (unter Berücksichtigung der oben genannten Ausführungen) von B, sollte dieser sich nicht entsprechend verhalten, das geleistete zurückfordern (§820 I 1 BGB analog)17.

So und nun müssen wir uns noch um eine umstrittenene Fallgruppe kümmern. Hier geht es darum, dass zwar ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien vorliegt, aber der Leistende einen Zusatzzweck verfolgt:

 
A ist Eigentümer eines großen Grundstücks. Die Stadt S wendet sich an A mit der Frage, ob sie dieses Grundstück erwerben könne. A verkauft das Grundstück der Stadt, damit diese darauf ein Schwimmbad errichten kann.
Die Frage ist also, ob §812 I 2 Alt.2 BGB in solchen Fällen anwendbar ist. Ein Teil der Literatur und die Rechtssprechung bejahen dies18. Ein anderer Teil der Literatur lehnt dies (zu Recht) ab. Dafür wird angeführt, dass es sich um eine Vertragsstörung handelt, die eben auch entsprechend behandelt werden muss. Hat die Stadt sich vertraglich zur Errichtung des Schwimmbads verplichtet, so kann dies eingeklagt oder vom Vertrag zurückgetretetn werden (§323 BGB). War der Bau eine auflösende Bedingung, würde die condictio ob causam finitam eingreifen. Schließlich bliebe noch der Weg über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn der Bau erkennbar die Grundlage des Geschäfts bildete. Ansonsten sei dies ein unverbindliches Motiv, das keine Rechtsfolgen auslösen würde19.
 
Ein weiterer Lehrbuchfall behandelt das Problem, dass jemand ein Haus baut und glaubt, er werde das Grundstück, auf dem das Haus steht, erben oder geschenkt bekommen:
 

Aus BGH 44, 321: Der Kläger pachtete am 15. April 1950 von seiner Tante, Fräulein E., einen Laden auf die Dauer von 5 Jahren. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. April 1953 verpachtete sie ihm ferner eine daneben liegende Parzelle auf die Dauer von 30 Jahren gegen eine Nutzungsgebühr von jährlich 50 DM; ihm wurde das Recht zugestanden, auf diesem Grundstück einen Anbau an das von ihm bereits genutzte Haus zu errichten. Am 6. Mai 1954 errichtete Fräulein E. ein Testament, in dem sie dem Kläger diesen Grundbesitz vermachte; die Kosten für die Testamentserrichtung zahlte der Kläger. Im Laufe des Jahres 1953 ließ er den Anbau ausführen und bezahlte ihn. Er betreibt in dem Neubau eine Gastwirtschaft. Am 11. Juni 1959 errichtete Fräulein E. ein neues Testament, in dem sie die Beklagten als Erben einsetzte und den Kläger nicht mehr bedachte. Sieben Tage später starb sie.

Der Kläger behauptet, er habe den Anbau errichtet, weil seine Tante versprochen habe, ihm das Grundstück zu vermachen; nur aus diesem Grunde habe er auch den Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren geschlossen. Er ist der Ansicht, daß er [...] die durch die Errichtung des Gebäudes herbeigeführte Wertsteigerung nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung erstattet verlangen könne. Mit der Klage hat er 74 000 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks verlangt.

Der BGH bejaht in diesem Fall das Vorliegen eines Anspruchs aus der condictio ob rem. Dafür führt der BGH (a.a.O.) folgende Begründung ins Feld:

Gemäß dieser Bestimmung [der Bestimmung aus §812 I 2 Alt.2 BGB] hat der Empfänger die Bereicherung herauszugeben, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg nicht eintritt. Daraus ergibt sich, daß das Gesetz zwar eine Einigung der Beteiligten über den Erfolg verlangt. Damit ist aber keine vertragliche Bindung gemeint; denn wenn sie vorliegt, ist das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Vertragsrechts abzuwickeln und nicht nach denen der ungerechtfertigten Bereicherung [...]. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, daß zwischen Empfänger und Leistendem eine tatsächliche Willenseinigung über den verfolgten Zweck erzielt wird, während andererseits die nur einseitige Erwartung des Leistenden nicht genügt [...].

Ob eine solche Willenseinigung vorliegt, ist nach den Umständen des Falls zu ermitteln. Sie braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann auch stillschweigend zustande kommen. Eine solche stillschweigende Einigung wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der eine Teil mit seiner Leistung einen bestimmten Erfolg bezweckt, der andere dies erkennt und durch die Annahme zu verstehen gibt, daß er die Zweckbestimmung billigt. Will der Empfänger die Leistung nicht unter der ihm bekannten Voraussetzung annehmen, so muß er es sagen; andernfalls verlangen es Treu und Glauben, daß sein Verhalten als Einverständnis gewertet wird [...].

Die Literatur tritt dem mit dem Argument entgegen, dass der Eigentumserwerb an dem Grundstück nicht der bezweckte Erfolg des Baus, sondern das Motiv dafür. Es gäbe keine synallagmatische Verknüpfun zwischen Bau und Eigentumserwerb. In Frage komme nur eine Nichtleistungskondiktion in Form der Aufwendungskondiktion (dazu später mehr)20.

 

So und nun nähern wir uns langsam dem Ende der Leistungskondiktion und zwar mit folgender Kondiktion:

dd) condictio ob turpem vel iniustam causam - §817 S.1 BGB
Hier geht es um Fälle, in denen der Empfänger der Leistung mit deren Annahme gegen ein gesetzliches Verbot (§134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§138 I BGB) verstößt. Diese Form der Leistungskondiktion greift also nur dann ein, wenn der Zweck der Leistung derart bestimmt war, dass der Empfänger mit der Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt21. Da jedoch meist schon das Grundgeschäft durch die Wirkung der §§134, 138 BGB nichtig sein wird, ist dann bereits die condictio indebiti einschlägig, sodass der condictio ob turpem vel iniustam causam eher eine geringe Bedeutung zukommt22.

Ihr kommt dann Bedeutung zu, wenn die condictio indebiti durch den Ausschlussgrund des §814 BGB (lesen!) ausfällt. Gleiches gilt für die condictio ob rem, die über §815 BGB ausfallen könnte. Entfallen die beiden Formen der Kondiktion, dann kann trotzdem die condictio ob turpem vel iniustam causam einschlägig sein - unter den genannten Voraussetzungen. Auch kann ihr Bedeutung zukommen, wenn tatsächlich nur die Annahme der Leistung sittenwidrig ist oder gegen ein Verbotsgesetz verstößt23.

 

2. Ausschlussgründe für eine Leistungskondiktion

a) Verstoß gegen Verbotsgesetz o. die guten Sitten beim Bereicherunsgläubiger
In §817 BGB findet man nicht nur eine Anspruchsgrundlage der Leistungskondiktion sondern auch in S.2 der Vorschrift einen Ausschlussgrund. Hiernach soll der Bereicherungsgläubiger dann nicht das Geleistete zurückfordern dürfen, wenn er selbst ebenfalls mit sittenwidrig handelte oder er gegen ein Verbotsgesetz verstoß.

Der Zweck der Vorschrift besteht darin, den bspw sittenwidrig handelnen Parteien nicht auch noch Rechtsschutz für von der Rechtsordnung nicht gewolltes Verhalten zu gewähren24.

Jedoch ist zu beachten, dass der Ausschlussgrund über §242 BGB dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn dies dem Schutzzweck des Verbotsgesetzes entspricht. Es muss also, sollten sich in einem Fall dahingehende Anzeichen ergeben, auch der Zweck des Verbotsgesetzes genau unter die Lupe genommen werden, um zu sagen, ob eine Anwendung des Ausschlussgrundes in Frage kommt oder nicht25.

Ein bekanntes Beispiel für einen solchen Ausschluss des Ausschlussgrundes bilden die Schwarzarbeiterfälle. Einigen sich die Parteien darauf, dass eine bestimmte Leistung "schwarz" erbracht werden soll und verweigert dann der Auftraggeber dem "Schwarzarbeiter" die Zahlung des "Lohns", dann wäre es ziemlich ungerecht den Schwarzarbeiter so zu benachteiligen. So sieht das auch der BGH und führt an:

Das [Schwarzarbeits-]Gesetz wurde als Schutzgesetz i. S. des § 134 BGB ausgestaltet, weil sich nur durch die Nichtigkeit der verbotenen Geschäfte die verfolgten Zwecke erreichen ließen (Tiedtke, NJW 1983, 713 (716)). Mit dem Ausschluß vertraglicher Ansprüche ist aber andererseits auch der vor allem ordnungspolitischen Zielsetzung des Gesetzes weitgehend Genüge getan. Daß der Besteller von Schwarzarbeit die Leistung auf Kosten des vorleistenden Schwarzarbeiters unentgeltlich soll behalten dürfen, ist zur Durchsetzung der Ziele des Gesetzes nicht unabweislich geboten. Denn der Ausschluß vertraglicher Ansprüche verbunden mit der Gefahr einer Strafverfolgung und der Nachzahlung von Steuern und Sozialabgaben bei Bekanntwerden der Schwarzarbeit entfaltet bereits die vom Gesetzgeber gewünschte generalpräventive Wirkung. Die Gewährung eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs - zumal in dem gebotenen eingeschränkten Umfang (s. dazu weiter unten) - steht dieser generalpräventiven Wirkung nach Auffassung des Senats nicht entgegen26.

Weiterhin ist zu beachten, dass sich der Ausschlussgrund des §817 S.2 BGB nicht nur auf die condictio ob turpem vel iniustam causam beschränkt, sondern auf alle Fälle der Leistungskondiktion anzuwenden ist und zwar ohne, dass ein Verstoß des Bereicherungsschuldners gegen ein Verbotsgesetz oder gegen die guten Sitten vorliegen muss. Es reicht wenn ein solcher Vorwurf dem Bereicherungsgläubiger (also dem Leistenden) gemacht werden kann. Das erscheint fragwürdig, denn nach seiner Stellung im Gesetz und nach seinem Wortlaut beschränkt sich der Anwendungsbereich ja gerade nur auf die Kondiktion nach §817 S.1 BGB.
Für eine solche Ausweitung wird (von der h.M.) angeführt, dass zum einen, durch die eher seltene Anwendbarkeit des §817 S.1 BGB, der Ausschlussgrund oft ins Leere laufen würde27 und zum anderen, dass dadurch der bspw sittenwidrig handelnde Empfänger einer Leistung besser gestellt werden würde als der sittenwidrig Leistende28.

Einen ähnlichen Ausschluss des Ausschlussgrundes wie der zu §134 BGB kann es auch zur Sittenwidrigkeit geben. Auch hier wird auf den Zweck abgestellt und Treu und Glauben ins Feld geführt, ungerechte Ergebnisse auszugleichen29.

Doch diese Ausschlüsse der Ausschlussgründe sind mit Vorsicht zu genießen. Sie bilden eher die Ausnahme als die Regel!

Streitig ist ferner, ob der Ausschlussgrund des §817 S.2 BGB auch auf andere Anspruchsgrundlagen außerhalb des Bereicherungsrechts Anwendung finden kann oder nicht. Diese Ausweitung wird von der Rechtssprechung abgelehnt. Sie führt als Begründung an, dass es sich um eine Vorschrift mit strafcharakter handle, die im Zivilrecht nichts zu suchen habe. Demgegenüber vertritt ein Teil der Literatur die Auffassung, dass der Ausschlussgrund des §817 S.2 BGB auch für den Herausgabeanspruch des Eigentümers (§985) und Ansprüche aus der deliktischen Haftung gelte. Sie führt an, dass es ansonsten zu einer Rückforderung trotz nichtigen Erfüllungsgeschäfts kommen könnte und so der Sinn des §817 S.2 BGB ins Leere laufen würde. Denn wenn das Erfüllungsgeschäft nichtig ist, kann gem. §985 BGB generell erst einmal zurückgefordert werden. Dieser Weg ist ja im Normalfall eigentlich über das Bereicherungsrecht zu beschreiten (Abstraktionsprinzip!).  Wenn jetzt aber Verpflichtung- und Erfüllungsgeschäft auf Grund des §134 BGB oder des §138 BGB nichtig sein sollten, würde §817 S.2 BGB eigentlich dafür sorgen, dass niemand die Leistung zurückfordern kann. Dem Sinn und Zweck des §817 S.2 BGB würde es vollkommen entgegen laufen, wenn man nun dann doch noch über §985 BGB seine Leistung zurückfordern kann. §817 S.2 BGB soll ja gerade dafür sorgen, dass die gegen ein Verbotsgesetz oder gegen die guten Sitten verstoßenen Parteien keinen Rechtsschutz gelten machen können. Würde man §817 S.2 nur auf das Bereicherungsrecht beschränken, würden sie diesen Rechtsschutz jedoch in schweren Fällen dann über bspw einen Herausgabeanspruch aus §985 BGB  geltend machen30.

So und nun noch ein letzter Punkt zu diesem Ausschlussgrund. Es wird nämlich diskutiert inwiefern auch auf subjektiver Seite den Parteien ein Vorwurf gemacht werden kann. Im Bezug auf §817 S.1 hält man  einen objektiven Verstoß für ausreichend, wohingegen bei §817 S.2 Vorsatz vorliegen muss oder der Leistende sich leichtfertig der Einsicht seines Verstoßes entzieht31.

b) Kenntnis der Nichtschuld - §814 BGB
Der nur die condictio indebiti betreffende Ausschlussgrund des §814 BGB lässt dann eine Kondiktion entfallen, wenn dem Leistenden bekannt war, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Auch kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn die "Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand nehmenden Rücksicht entsprach".

c) Nichteintritt des Erfolgs - §815 BGB
Hier handelt sich um einen Ausschlussgrund für die condictio ob rem. Zum einen soll die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen sein, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg von Anfang an umöglich war und dies dem Leistenden bekannt war. Zum anderen soll eine Rückforderung dann versagt werden, wenn der Leistende den Erfolgseintritt selbst verhindert hat und dies entgegen Treu und Glauben getan hat.

 

3. Die Nichtleistungskondiktion
Nun kommen wir zu unserem vorletzten großen Themenblock des Bereicherungsrechts - der Nichtleistungskondiktion. In §812 I S.1 Alt. 2 BGB finden wir einen ersten Hinweis darauf, was mit einer Nichtleistungskondiktion gemeint sein könnte. Es handelt sich - wie der Name schon sagt - um eine Bereicherung, die der Bereicherte nicht durch eine Leistung erlangte, sondern "in sonstiger Weise". Und nun stehen wir vor einem Problem - denn einen wirklichen Anhaltspunkt, der erklären würde, was "in sonstiger Weise" bedeutet finden wir nicht.

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