§ 433 - Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

A. Vorbemerkung

Nach §433 I BGB wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Rechts- oder Sachmängeln zu übergeben und Eigentum an der Sache zu verschaffen. Nach Abs. 2 wird wiederum der Verkäufer dazu verpflichtet, dem Käufer den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen.

B. Prüfungsaufbau

  • I. Anspruch entstanden
    • 1. Abgabe eines Angebots und diesbezüglicher Zugang beim Empfänger
    • 2. Annahmeerklärung und Zugang beim Empfänger
    • 3. Ergebnis
  • II. Anspruch wieder untergegangen
  • III. Anspruch durchsetzbar



C. Erläuterungen

I. Allgemeines
Der Kaufvertrag ist ein synallagmatischer Vertrag, also ein Vertrag gegenseitiger Verpflichtungen (PWW/Schmidt §433 Rdn. 1; Schellhammer Rdn. 36.). Denkt man an die juristische Ausbildung ist der Kaufvertrag die Lernschnittstelle zum Verständnis des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuches. Seine alltägliche Bedeutung und Allgegenwärtigkeit verdeutlicht das allseits beliebte Beispiel vom Brötchenkauf, bei dem gleichwohl ein Kaufvertrag abgeschlossen wird, aber bei dem es vielmehr darum geht, Begriffe wie „Rechtsgeschäft“ oder „Willenserklärung“ sowie Prinzipien des BGB wie zB das Abstraktionsprinzip darzustellen. Gleichsam wurden gerade diese allgemeinen Lehren aus dem Kaufvertrag entwickelt (Schellhammer aaO).

II. Zustandekommen von Kaufverträgen
Das Zustandekommen von Kaufverträgen richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§145ff. BGB (Musielak Rdn. 542; Brox/Walker BS §1 Rdn. 3.). Dabei muss zumindest eine Einigung bezüglich des Kaufpreises und des Kaufgegenstandes (als essentialia negotii) zwischen den Parteien erzielt werden (Brox/Walker BS §1 Rdn. 3). Es sind also zwei Willenserklärungen nötig, die sich auf die oben genannten essentialia negotii beziehen.

1. Angebot und Annahme als den Vertrag konstituierende Erklärungen
Diese werden als Angebot und als Annahme bezeichnet. Während das Angebot prinzipiell als Vorschlag einer Partei zu verstehen ist, sie würde bspw. gerne ein Auto zu einem bestimmten Preis kaufen bzw. verkaufen, ist die Annahme lediglich die Erklärung der anderen Partei, dass sie mit dem konkreten Vorschlag des Anbieters unbedingt einverstanden ist. Daher muss das Angebot bereits alle den (Kauf-)Vertrag kennzeichnenden Merkmale umfassen muss. Bei einem Angebot handelt es sich folglich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die den gesamten Vertragsinhalt umfassen und so formuliert sein muss, dass sie mit einem bloßen „Ja“ angenommen werden kann, und nach den Regeln über den Zugang zur Wirksamkeit gelangt (Rüthers/Stadler §19 Rdn. 3; Musielak Rdn. 101; vgl. weitergehend die Ausführungen zu den §§145ff.).

Beispiel: V möchte seinen alten VW Golf I verkaufen und hängt im örtlichen Supermarkt eine Anzeige auf: „Verkaufe meinen gepflegten und top erhaltenen VW Golf I für 1.500 € (VB) – bei Interesse melden Sie sich bitte unter meiner Telefonnummer“. Einen Tag später meldet sich K telefonisch bei dem V und bekundet Interesse an dem VW Golf, deutet aber bereits an, dass der Preis von 1.500 € etwas zu hoch gegriffen ist für ein solch altes Modell. V schlägt ihm daraufhin erst mal eine Besichtigung und Probefahrt am Nachmittag desselben Tages vor. Als V und K von der Probefahrt zurückkehren, möchte V nun endlich wissen, wie es um einen möglichen Kauf bestellt ist und fragt den K, ob er denn nun den Golf für 1.500 € kaufen wolle. Daraufhin erwidert der K, dass er großes Interesse an dem Wagen habe, er aber lediglich bereit sei, 1.000 € auszugeben – schließlich sei ja auch in der Anzeige im Supermarkt von einer Verhandlungsbasis die Rede gewesen. V ist jedoch nicht bereit, sich mit 1.000 € abspeisen zu lassen und erklärt dem K, dass er nicht bereit sei den Wagen für 1.000 € zu verkaufen, er aber zusätzlich zu dem Auto dem V einen Satz Winterreifen geben würde. Nach kurzen Zögern, stimmt der K schließlich zu.

Das obige Beispiel hält prinzipiell keinerlei rechtliche Probleme bereit, soll aber verdeutlichen, dass es durchaus möglich ist, mehrere Parteierklärungen zu haben, die sich als Angebot darstellen könnten. Das Aushängen der Anzeige im Supermarkt kommt als Angebot nicht in Frage, da der V damit nur darauf aufmerksam machen möchte, dass er sein Auto verkaufen möchte. Läge hierin bereits ein Angebot des V, könnte einjeder dieses einfach annehmen und der V würde sich zur Beschaffung von möglicherweise unzähligen VW Golf I verpflichtet sehen. Hierin liegt vielmehr eine invitatio ad offerendum, also die Einladung an denjenigen, der die Anzeige sieht, ein Angebot abzugeben. Im Telefonat zwischen V und K tritt zwar das grundsätzliche Interesse des K an dem VW Golf zu Tage, gleichwohl signalisiert er nicht abschließend, dass er das Auto tatsächlich kaufen möchte – mithin liegt überhaupt keine Willenserklärung vor, da die Erklärung nicht darauf gerichtet ist, einen rechtsgeschäftlichen Erfolg herbeizuführen, sondern vielmehr darauf, weitergehende Informationen bezüglich des Autos zu erhalten. Die darauffolgenden Verhandlungen zwischen V und K stellen dann jedoch jeweils eigene, selbstständige Angebote dar:
Die Frage des V, ob der K denn nun den Golf für 1.500 € kaufen wolle, kann als an den K gerichtete Willenserklärung verstanden werden, der V sei bereit den VW Golf I für 1.500 € an den K zu verkaufen. Diese Erklärung ging dem K auch, da unter Anwesenden, unmittelbar zu. Danach könnte der K, da die Erklärung des V alle vertragswesentlichen Inhalte umfasst, mit einem einfachen „Ja“ annehmen. Dies tut er jedoch nicht, sondern macht dem V ein eigenes Angebot, nämlich, dass er nur bereit sei, den VW Golf I für 1.000 € zu kaufen. Auch dies könnte – nun von dem V – mit einem einfach „Ja“ angenommen werden. Dieser wiederum gibt ein weiteres Angebot, gerichtet an den K, ab, das den Kaufgegenstand um die Winterreifen erweitert. Auch dieses Angebot ist so konkretisiert und bezogen auf die essentialia negotii umfassend, dass es, von dem K mit einem „Ja“ angenommen werden kann und auch, als dann tatsächliche Annahme, auch wird.



3. Form des Kaufvertrages
In der Regel bedarf der Kaufvertrag keiner bestimmten Form. Eine wichtige Ausnahme hiervon stellt jedoch der Kauf eines Grundstückes dar, bei dem der Kaufvertrag gem. §311b I BGB der notariellen Beurkundung bedarf (weitere Ausnahmen vgl. Brox/Walker §1 Rdn. 11).



2. Die essentialia negotii des Kaufvertrages
a. Der Kaufgegenstand
§433 BGB selbst spricht im Hinblick auf den Kaufgegenstand lediglich von Sachen. Nach §453 I BGB finden jedoch die Vorschriften über den Kauf von Sachen entsprechende Anwendung auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen.

aa. Sachen als Kaufgegenstand
Sachen sind gem. §90 BGB alle körperlichen Gegenstände. Dabei ist es unerheblich, ob die Sache beweglich - Mobilie - oder unbeweglich ist – Immobilie – und ob sie fest, flüssig oder gasförmig ist (MüKoBGB/Westermann §433 Rdn. 11; Kropholler §433 Rdn. 2; Oetker/Maultzsch §2 Rdn. 6; Brox/Walker §1 Rdn. 4). Tiere werden ebenfalls in den Anwendungsbereich mit einbezogen, da auf sie gem. §90a S.3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Ferner muss die Sache rechtsverkehrsfähig sein, was auf den (vollständigen) menschlichen Körper als solchen nicht zutrifft (MüKoBGB/Westermann §433 Rdn. 11; Oetker/Maulzsch §2 Rdn. 6.). Hinsichtlich der Konkretisierung der betreffenden Sache, kann diese von den Parteien individuell konkret (Stück-/Spezieskauf) oder aber auch nur nach ihrer Gattung (Gattungskauf) bestimmt werden (Musielak Rdn. 544; Brox/Walker §1 Rdn. 4; Oetker/Maulzsch §2 Rdn. 7).

bb. Rechte als Kaufgegenstand
Wie bereits angesprochenen können auch Rechte Gegenstand eines Kaufvertrages sein. Dabei sind alle Rechte einbezogen, die übertragbar sind (Brox/Walker §1 Rdn. 6; Kropholler §433 Rdn. 3).

cc. Sonstige Gegenstände als Kaufgegenstand
Sonstige Gegenstände, die Kaufgegenstand nach §453 I Alt. 2 BGB sein können, sind solche, die weder Sache noch Recht, wohl aber verkehrsfähig sind, wie zB Software oder Elektrizität (Musielak Rdn. 543; Brox/Walker §1 Rdn. 7; Oetker/Maulzsch §2 Rdn. 11).

dd. Kauf zukünftiger Sachen, Rechte und sonstiger Gegenstände
Ebenfalls als Kaufgegenstand anerkannt sind bei Vertragsschluss noch nicht existente Sachen, Rechte oder sonstige Gegenstände, wie zB die zukünftige Jahresproduktion, wobei im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, ob die Sache tatsächlich erworben werden soll und kann (bei auflösender Bedingung) – dann Sachkauf - oder ob nur die Kaufgelegenheit (bei immanenter Kaufpreiszahlung) Gegenstand des Vertrages ist – dann sonstiger Gegenstand (Oetker/Maulzsch §2 Rdn. 8; Brox/Walker §1 Rdn. 5).

ee. Kauf von Sach- und Rechtsgesamtheiten
Als Kaufgegenstand kommen auch sogenannte Sach- und Rechtsgesamtheiten in Betracht, wie zB beim Unternehmenskauf, bei dem im Zweifel auch alle Bestandteile mitverkauft werden (Kropholler §433 Rdn. 4).

b. Der Kaufpreis
Die Gegenleistung des Käufers besteht in dem gem. §433 II BGB zu entrichtenden Kaufpreis, der in immer in Geld zu leisten ist (sonst Tausch), wobei es genügt, dass sich die Parteien über die Regeln, nach denen sich der Kaufpreis bestimmt, einigen (Schellhammer Rdn. 33; Musielak Rdn. 545). Dann muss sich aber aus dem Vertrag heraus ein nach objektiven Merkmalen ablaufendes Verfahren ergeben, nach dem der Kaufpreis bestimmt wird, oder die Bestimmung einem Dritten überlassen wird (MüKoBGB/Westermann §433 Rdn. 19).




II. Die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag
Eine Besonderheit des deutschen Zivilrechts ist es, dass zwischen dem Vertrag und der darauffolgenden Erfüllung eine scharfe Trennung vollzogen wird. Während der Vertrag als solcher zunächst einmal lediglich die Verpflichtung der Parteien begründet, einen gewissen Erfolg herbeizuführen, ist die darauffolgende Erfüllung dieser Pflichten von dem Vertrag losgelöst und ein (auch in seiner Gültigkeit) eigenständiges Rechtsgeschäft (Abstraktionsprinzip). Das bedeutet, dass auch der Kaufvertrag lediglich die in §433 beschriebenen Pflichten den Parteien des Vertrags aufbürdet, nämlich im Hinblick auf den Verkäufer, dem Käufer Besitz und Eigentum an dem mangelfreien Kaufgegenstand zu verschaffen, und hinsichtlich des Käufers, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen und den Kaufgegenstand abzunehmen. Durch den Kaufvertrag selbst wird also weder Besitz verschafft, noch Eigentum übertragen oder der Kaufpreis bezahlt, sonder nur die Verpflichtung dazu begründet (vgl. hierzu die Ausführungen im Allgemeinen Teil des BGB).

1. Verpflichtungen des Verkäufers
a. Übergabe und Eigentumsverschaffung
aa. Sachkauf
Handelt es sich bei dem Kaufgegenstand um eine Sache (s.o.), dann hat der Verkäufer nach §433 I BGB dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an dieser zu verschaffen. Dies erreicht der Verkäufer in der Regel, wenn er dem Käufer den unmittelbaren Besitz iSd §854 I BGB, also die tatsächliche Sachherrschaft, einräumt (Übergabe) und ihm das Eigentum an dieser nach den sachenrechtlichen Vorschriften überträgt, wobei hier der konkrete Erfolg geschuldet wird und bei einer Übereignung nach §929 1 BGB die Besitzverschaffung durch Übergabe erzielt wird (Musielak Rdn. 546; Brox/Walker §2 Rdn. 5f.)

Möglichkeiten der Eigentumsübertragung (Auswahl)
§§ Ausgangslage Voraussetzungen zur Übertragung
§929 S. 1 Sache befindet sich im Besitz und im Eigentum des Verkäufers Eigentum geht durch Übergabe und Einigung über.
§929 S. 2 Sache befindet sich bereits im Besitz des Käufers, aber noch im Eigentum des Verkäufers (A leiht dem B sein Fahrrad) Es bedarf nur noch der Einigung zwischen Käufer und Verkäufer, dass das Eigentum übergehen soll.
§§929, 930 Die Sache befindet sich noch im unmittelbaren Besitz und im Eigentum des Verkäufers, soll aber auch im unmittelbaren Besitz des Verkäufers bleiben; nur das Eigentum soll übergehen.
Bsp.: A bewohnt sein eigenes Haus. Dieses will er an B verkaufen, selbst aber dort wohnen bleiben.
Besitzkonstitut – Es bedarf der Einigung über den Eigentumsübergang und einer Vereinbarung, durch die der Käufer zum mittelbaren Besitzer der Sache wird (§868 BGB).
Zum Bsp.: A und B müssten sich über den Eigentumsübergang einigen und gleichzeitig einen Mietvertrag über die Bewohnung des Hauses durch A abschließen. Dann wäre A gegenüber dem B auf Zeit zum Besitz berechtigt (§868 BGB)
§§929, 931 Die Sache befindet sich nicht im Besitz des Verkäufers sondern im Besitz eines Dritten, dennoch soll das Eigentum an der Sache auf den Käufer übertragen werden.
Bsp.: A hat dem B sein Fahrrad geliehen. Dieses will er an den C verkaufen.
Es kommt zur Einigung bzgl des Eigentumsübergangs zwischen Verkäufer und Käufer. Weiterhin tritt der Verkäufer seinen Herausgabeanspruch gegen den Dritten an den Käufer ab.
Bsp.: A muss hier nicht zuerst, das Fahrrad des B besorgen, sondern kann schlicht seinen Herausgabeanspruch gegen den B an den C abtreten.
§§929, 932 Die Sache befindet sich im Besitz des Verkäufers, aber nicht im Eigentum des Verkäufers. Es bedarf der Einigung und Übergabe sowie des guten Glaubens des Käufers an die Eigentümerstellung des Verkäufers.

Ähnliches gilt für das Besitzkonstitut oder für Abtretung des Herausgabeanspruchs (§§933, 934).

Beachte aber §935 bei gestohlenen oder abhanden gekommenen Sachen.