§ 105 BGB - Nichtigkeit der Willenserklärung

A. Allgemeines
§ 105 Abs. 1 BGB beinhaltet prinzipiell die Rechtsfolge des § 104 BGB bzw. beschreibt die Wirkung einer Erklärung, die von einer dem § 104 BGB zuzurechnenen Person abgegeben wurde. Die Vorschrift dient dem Schutz dieser Personen vor den von ihr - nach dem Gesetz unterstellt - nicht zu erblickenden Gefahren des Rechtsverkehrs.1

§ 105 Abs. 2 BGB enthält demgegenüber einen eigenen Tatbestand. Hiernach sind Willenserklärungen nichtig, die im Zustande der Bewusstlosigkeit abgegeben oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wurden.

B. Nichtigkeit der Willenserklärung aufgrund von Geschäftsunfähigkeit
Die Willenserklärung eines nach § 104 BGB Geschäftsunfähigen ist gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Im Hinblick auf den Zeitpunkt kommt es für die Wirkung nach § 105 Abs. 1 BGB darauf an, dass die Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung vorlag.2 Hierbei handelt es sich um eine absolute Wirkung, die dem Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs vorgeht und bei der es zudem unerheblich ist, ob der Geschäftsunfähige durch die Erklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil erwirbt - eine im Zustand der Geschäftsunfähigkeit abgegebene Willenserklärung ist stets nichtig.3 Bereits ausgetauschte Leistungen können über die §§ 812 ff. BGB herausverlangt werden.4

Die Willenserklärung, die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben wird, wird gem. § 131 Abs. 1 BGB erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.

Für die Teilhabe am Rechtsverkehr ist der Geschäftsunfähige auf seinen gesetzlichen Vertreter, Vormund oder Betreuer verwiesen (§ 1902 BGB), wobei der Betreuer für volljährige Geschäftsunfähige in Frage kommt.5

C. Nichtigkeit bei vorübergehender Störung der Geistestätigkeit oder bei Bewusstlosigkeit
Während § 104 Nr. 2 BGB bei Dauerhaftigkeit des Ausschlusses der freien Willensbildung durch krankhafte Störung der Geistestätigkeit einschlägig ist, werden Erklärungen, die bei nur vorübergehender Störung der Geistestätigkeit oder bei Bewusstlosigkeit abgegeben werden, von § 105 Abs. 2 BGB erfasst. Die Folge ist jedoch nicht die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen, sondern lediglich die Nichtigkeit seiner in diesem Zustand abgegebenen Erklärung. 6

I. Voraussetzungen
1. § 105 Abs. 2 Alt. 1 BGB - Zustand der Bewusstlosigkeit
Unter die erste Alternative des § 105 Abs. 2 BGB werden Fälle subsumiert, in denen der Erklärende unter einer so hochgradigen Bewusstseinstrübung leidet, dass eine Erkenntnis seinerseits über den Inhalt der Erklärung ausgeschlossen ist. Auch wenn der Begriff der Bewusstlosigkeit dies vermuten ließe, so geht es nicht um Fälle der Ohnmacht, des Schlafes oder um ähnlich gelagerte Sachverhalte, in denen dem Erklärenden ein Bewusstsein grundsätzlich und vollständig fehlt. Dann wäre nämlich bereits der Handlungswille als innere Tatbestandsvoraussetzung der Willenserklärung zu verneinen - eine Willenserklärung würde gar nicht erst entstehen (vgl. hierzu auch die Ausführungen zum Thema Willenserklärung bei "Vor §§ 116 BGB - Die Willenserklärung").7

Beispiele für das Vorliegen von Bewusstlosigkeit iSd § 105 Abs. 2 Alt. 1 BGB:

  • Blutalkoholgehalt von 3,4 Promille kommt Bewusstlosigkeit gleich8
  • Eine nicht näher definierte hochgradige alkoholbedingte Störung reicht nicht aus; eine krankhafte Trunksucht - ohne nähere dogmatische Einordnung - jedoch schon9
  • entsprechend starke Vergiftung durch den Konsum von Drogen 10

2. § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB - Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit
Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 105 Abs. 2 BGB gilt prinzipiell das zu § 104 Nr. 2 BGB Gesagte. Der Zustand ist hier jedoch nur vorübergehender Natur und nicht andauernder.11 Auch kann Auch kann die Rechtsfolge, entsprechend des § 104 BGB, auf partielle Lebensbereiche nicht jedoch auf besonders schwierige Geschäfte beschränkt sein.12

3. Ausschluss der freien Willensbestimmung
Wie auch schon bei § 104 BGB muss die jeweilige Störung ein derartiges Ausmaß erreichen, dass die freie Willensbestimmung durch vernünftige Erwägungen nicht nur geschwächt oder bedingt, sondern völlig ausgeschlossen ist.13

4. Abgabe der Willenserklärung
Die Willenserklärung muss nach dem Wortlaut der Norm abgegeben worden sein, während der Erklärende sich im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit oder Bewusstlosigkeit befand.

II. Rechtsfolge
Gem. § 105 Abs. 2 HS 1 BGB ist die Willenserklärung, die bei Bewusstlosigkeit oder im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegebenen wurde, nichtig. § 105 Abs. 2 BGB wirkt sich demzufolge lediglich auf die jeweilige Willenserklärung der Person aus, die sich bei Abgabe der Erklärung in einem in § 105 Abs. 2 BGB genannten Zustand befand, nicht jedoch auf die Person und ihre Geschäftsfähigkeit per se. Ein wirksamer Empfang einer verkörperten Willenserklärung ist daher möglich.14
Erfasst werden nicht nur Willenserklärungen, sondern prinzipiell alle Rechtshandlungen, die maßgeblich an den Willen des Betroffenen anknüpfen.15 Eine vorsätzlich herbeigeführte Bewusstlosigkeit schadet der Rechtsfolge nicht.16

  • 1. Bamberger/Roth/Wendtland § 105 Rn. 1;vgl. auch die Ausführungen bei § 104 BGB - Geschäftsunfähigkeit.
  • 2. Schulze/Dörner § 104 Rn. 2.
  • 3. Rüthers/Stadler § 23 Rn. 3; Soergel/Hefermehl § 105 Rn. 1.
  • 4. MüKo-BGB/Schmitt § 105 Rn. 26.
  • 5. Jürgens/Jürgens § 105 Rn. 2.
  • 6. Soergel/Hefermehl § 105 Rn. 5
  • 7. Erman/Palm § 105 Rn. 5; Palandt/Ellenberger § 105 Rn. 2; Jürgens/Jürgens § 105 Rn. 6.
  • 8. OLG Nürnberg NJW 1977, 1496.
  • 9. BGH WM 1972, 972f.
  • 10. Staudinger/Knothe § 105 Rn. 12 mit weiteren Beispielen
  • 11. Schulze/Dörner § 105 Rn. 4; Palandt/Ellenberger § 105 Rn. 3.
  • 12. BGH NJW 1961, 261
  • 13. BGH WM 1972, 972
  • 14. Jauernig/Jauernig § 105 Rn. 1.
  • 15. MüKo-BGB/Schmitt § 105 Rn. 44.
  • 16. OLG Nürnberg NJW 1977, 1496; Soergel/Hefermehl § 105 Rn. 6.