Gutachten: Wann höre ich auf zu prüfen?

Halloo, ich bin zu Zeit im 1 Semester und brauche dringend Hilfe was das Prüfen im Gutachten angeht. Bin mir nie wirklich sicher wann ich aufhören muss zu prüfen :/

Also beispielsweise liegt im Innnenverhältnis ein Auftrag vor, der eine Vollmacht mit sich bringt.

Jetzt könnte das Auftragsverhältnis an 3 Punkten unwirksam werden, in folgender Reinfolge: - 1. Frist (fraglich, ob überhaupt eine Frist vorliegt) - 2. Widerruf (hier erlischt der Auftrag sicher) - 3. Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers

Wenn ich das vorliegen einer Frist bejahe, ist es dann überflüssig, noch zu prüfen ob der Auftrag widerrufen wurde? Oder wäre das einfach ein umfassendes Gutachten?

Danke schonmal im Voraus!!!



Es gibt ja für alles ein Schema. Bei vertraglichen Ansprüchen auch. Wenn du also vertragliche Ansprüche nach dem Schema abarbeitest, ergibt sich, was nicht mehr geprüft werden muss. Ansonsten: Fallbezogenheit beachten. Man sollte nur prüfen, was irgendwie für den Fall anwendbar sein könnte. Mehr nicht.

Beispielsweise folgende Gliederung:
(der Editor hier hat die Numerierung durcheinandergewirbelt)

  1. Vertragliche Ansprüche

    1. Einigung

      1. Angebot

        1. Willenserklärung

          1. Objektiver Erklärungstatbestand

            1. Obj. Handlungswille

            2. Rechtsbindungswille (Obj. Erklärungswille)

            3. Obj. Geschäftswille

          2. Subjektiver Erklärungstatbestand

            1. Subj. Handlungswille

            2. Subj. Erklärungswille

            3. Subj. Geschäftswille

        2. Wirksamwerden

          1. Abgabe

          2. Zugang

          3. Kein Widerruf § 130 I 2 BGB

        3. Stellvertretung §§ 164 ff. BGB

          1. Zulässigkeit (Nicht Realakte, höchstpersönliche Rechtsgeschäfte)

          2. Eigene WE des Vertreters (Entscheidungsspielraum; Abgrenzung Bote)

          3. Im fremden Namen (Offenkundigkeit; sonst Eigengeschäft)

            1. Ausdrücklich

            2. Konkludent § 164 I 2 BGB („aus den Umständen ersichtlich“)

            3. Sonderfälle

              1. Bargeschäfte des täglichen Lebens

              2. Handeln unter fremden Namen

                1. Bloße Namenstäuschung (dann Eigengeschäft)

                2. Identitätstäuschung (dann Stellvertretung, §§ 164 ff. BGB, soweit es dem Vertragspartner auf die Identität ankommt)

          4. Innerhalb der Vertretungsmacht

            1. Vollmacht erteilt

              1. Gesetzliche Vollmacht

                1. Gesetzlicher Vertreter §§ 1626, 1929 BGB

                2. Verein § 26 II BGB

                3. Gesellschaft bürgerlichen Rechts §§ 709, 714 BGB

                4. oHG § 125 HGB

                5. Kommanditgesellschaft (Komplementäre) §§ 161 II, 125 HGB

                6. GmbH Geschäftsführer § 35 GmbHG

                7. Aktiengesellschaft Vorstand § 78 AktG

              2. Rechtsgeschäftliche Vollmacht § 166 II BGB

              3. Sonderfall: Prokura § 48 ff. HGB

            2. Vollmacht nicht nichtig

            3. Vollmacht nicht erloschen

            4. Umfang der Vollmacht

          5. Rechtsscheinvollmacht (nur bei Gutgläubigkeit des Dritten)

            1. Gesetzlich geregelt

              1. §§ 170-173 BGB (Vollmachtsurkunde noch im Umlauf)

              2. § 15 HGB (negative Publizität des Handelsregisters)

            2. Anscheinsvollmacht § 242 BGB

              1. Wiederholtes Auftreten als Vertreter

              2. Zurechnung (fahrlässige Unkenntnis u. Verhinderungsmöglichkeit)

              3. Gutgläubigkeit des Dritten § 173 BGB

            3. Duldungsvollmacht

              1. Wiederholtes Auftreten als Vertreter

              2. Zurechnung (Kenntnis u. Untätigkeit)

              3. Gutgläubigkeit des Dritten § 173 BGB

          6. Einschränkung der Vertretungsmacht

            1. Rechtsgeschäftliche Einschränkung

              1. Innenverhältnis

              2. Außenverhältnis

            2. Gesetzliche Einschränkung

              1. Insichgeschäft § 181 BGB

              2. Doppelvertretung

              3. Umgehungsgeschäfte

              4. Keine Ausnahme (o. g. Einschränkungen)

                1. Gestattung

                2. Erfüllung einer Verbindlichkeit

      2. Annahme

        1. Willenserklärung

          1. Objektiver Erklärungstatbestand

            1. Obj. Handlungswille

            2. Obj. Erklärungswille

            3. Obj. Geschäftswille

          2. Subjektiver Erklärungstatbestand

            1. Subj. Handlungswille

            2. Subj. Erklärungswille

            3. Subj. Geschäftswille

        2. Wirksamwerden

          1. Abgabe

          2. Zugang

          3. Kein Widerruf § 130 I 2 BGB

          4. Beachte:  § 151 BGB

        3. Rechtzeitigkeit § 147 BGB

        4. Sonderfall: Schweigen

        5. Stellvertretung §§ 164 ff. BGB (s. o.)

      3. Konsens

        1. Normalfall (Obj. ETB = Subj. ETB)

        2. Falsa demonstratio non nocet (Übernahme der Fehlformulierung)

        3. Anfechtungssituation (Obj. ETB =/= Subj. ETB)

    2. Wirksamkeit (rechtshindernde Einwendungen)

      1. Geschäftsunfähigkeit §§ 104 ff. BGB

      2. Beschränkte Geschäftsfähigkeit §§ 106 ff. BGB

        1. Lediglich rechtlich vorteilhaft § 107 BGB

          1. Keine persönliche Verpflichtung

          2. Keine Aufhebung oder Beschränkung von Rechten

        2. Einwilligung des gesetzl. Vertreters § 107 BGB

          1. Einwilligung § 183 BGB

          2. Gesetzlicher Vertreter §§ 1626, 1629 BGB

        3. Genehmigung des gesetzl. Vertreters §§ 108, 184 BGB

        4. Sonderfälle

          1. Taschengeldparagraph § 110 BGB (keine Ratenzahlung!)

          2. Selbstständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts § 112 BGB

          3. Dienst- oder Arbeitsverhältnis § 113 BGB

      3. Schwere Fehler in der Willenserklärung §§ 116-118 BGB (Scherz- u. Scheinerklärung)

      4. Formunwirksamkeit § 125 BGB

      5. Verstoß gegen gesetzliches Verbot § 134 BGB (z. B. Schwarzarbeit, NICHT: LadenschlussG - Arbeitnehmerschutz; beachte Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes)

      6. Verstoß gegen die guten Sitten § 138 BGB (beachte §§ 305 ff. BGB bei AGB)

      7. Bedingung § 158 BGB

      8. Ggf. Unwirksamkeit durch Anfechtung § 142 BGB

Nach der oben angegebenen Gliederung prüft man erst das Angebot, dann die Annahme und jeweils auch Wirksamkeit und Widerruf aber auch in dieser Reihenfolge. Rein logisch betrachtet ergibt das Ganze auch viel mehr Sinn. Das Angebot kann z. B. nicht wirksam sein, weil der Antragende geschäftsunfähig ist und damit nicht wirksam Willenserklärungen abgeben kann. Oder der Antragende hat den Antrag vor Zugang beim Vertragspartner widerrufen, damit ist die Willenserklärung nichtig und ein Vertrag kommt nicht zustande.

Oder anderes Beispiel: Invitatio ad offerendum: Man prüft, ob die Aussage des X als Antrag zu werten ist, indem man prüft, ob es sich hierbei um eine Willenserklärung handelt. Bei der invitatio ad offerendum liegt aber kein Rechtsbindungswille vor. Dann prüft man nicht noch den Geschäftswillen oder gar den Widerruf, wenn das Ergebnis eindeutig und unstreitig ist. Die Aussage des X kann daher nicht als Antrag gesehen werden, aber ggf. als Annahme. Und so prüft man so weit, bis man ein Ergebnis für den jeweiligen Oberpunkt erreicht hat. Liegt XY nicht vor, braucht man auch nicht zu prüfen, ob YZ vorliegt, weil z. B. schon kein Vertrag vorliegen kann, weil XY nicht vorliegt.

Ich hoffe, das war verständlich und nachvollziehbar. O. g. Schema (vertragliche Ansprüche) kann verwendet werden, ist aber ggf. nicht vollständig.