Das Schulfach Deutsch und das Jurastudium

Die deutsche Sprache – und damit in gewisser Art und Weise auch das Schulfach Deutsch -  spielt für das Jurastudium und für die spätere juristische Praxis eine herausragende Rolle. Dabei geht es weniger darum, dass man den Faust in seiner Schullaufbahn gelesen oder Kafka verstanden haben muss. Vielmehr ist die deutsche Sprache gleichzeitig Basis, Erkenntnisquelle und Ausdrucksmittel des Juristen.  Es geht also eher um einen sicheren Umgang mit der deutschen Sprache als darum die gesammelten Reclam-Werke im Schrank stehen zu haben, was übrigens sehr beeindruckend aussieht.

Prinzipiell ist die Arbeit eines Jurastudenten recht gut vergleichbar mit der Analyse und Interpretation eines Textes, den man im Deutschunterricht von seinem Lehrer vorgelegt bekommt. Denn auch im Jurastudium erhält man Texte, nämlich Gesetzestexte, die analysiert und interpretiert werden wollen. Wie auch im Deutschunterricht gibt es verschiedene Blickwinkel, unter denen man eine solche Analyse vornehmen kann. Man fragt sich im Deutschunterricht ja beispielsweise, wie der historische und soziale Kontext aussah als das Werk geschrieben wurde, was der Autor mit der Formulierung bezwecken wollte, ob man aus der Biographie des Autors Rückschlüsse auf mögliche Interpretationsmöglichkeiten ziehen kann oder welche Deutungsmöglichkeiten durch eine bestimmte Formulierung innerhalb des Textes gegeben sind.

In der juristischen Welt nennt man diese Interpretationsarbeit „Auslegung“. Aufgabe des Juristen bzw. des Jurastudenten ist es, festzustellen, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt von einem bestimmten Gesetz erfasst wird und welche Folgen sich hieraus ergeben. Wenn beispielsweise Tim mit einer Pistole auf Otto anlegt und Otto erschießt, schaut man, ob das Verhalten von Tim von einem bestimmten Gesetz erfasst wird und welche Folgen dieses Gesetz dann daran knüpft. Hier wäre das entsprechende Gesetz (oder besser die entsprechende Gesetzesnorm) § 212 des Strafgesetzbuches (StGB). Dort steht: „Wer einen anderen Menschen tötet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft“. Jetzt gilt es herauszufinden, ob der Lebenssachverhalt von diesem Gesetz erfasst wird. Das ist in unserem Beispiel natürlich sehr einfach zu bejahen. Dementsprechend tritt dann auch die Folge „Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren ein“

Jetzt sind die Möglichkeiten, wie jemand eine andere Person töten kann, natürlich nahezu grenzenlos - die Norm, die solche Sachverhalte erfassen soll, ist hingegen recht einfach und simpel. Sie ist – wie jedes andere Gesetz auch – abstrakt formuliert. Sie soll nämlich eine Vielzahl von Konstellationen erfassen und nicht nur einen ganz speziellen Fall. Der Jurastudent bzw. der Jurist steht hierbei vor dem Problem, entscheiden zu müssen, welche Konstellation nun von dem Gesetz erfasst und welche gerade nicht erfasst wird. Logischerweise geht das nur, wenn man etwas mit dem Gesetz anstellt, denn über den Sachverhalt soll ja gerade entschieden werden – dieser kann also schlichtweg nicht an das Gesetz angepasst werden. Man muss sich demnach also anschauen, wie das Gesetz verstanden, interpretiert – also ausgelegt - werden kann.

Hierzu haben sich im Laufe der Zeit fundamentale Methoden entwickelt, die auf einen Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts zurückzuführen sind und dessen Name im Jurastudium auch mal häufiger fallen wird: Friedrich Carl von Savigny (vergleiche zu den Auslegungsmethoden den diesbezüglichen Artikel). Ausgangspunkt aller Überlegungen ist jedoch immer der Text, der interpretiert bzw. ausgelegt werden will.

Dementsprechend bildet die Grammatikalische Auslegung (oder auch Auslegung nach dem Wortlaut) die Basis jedweder Auslegungsarbeit. Hierbei wird versucht, anhand grammatikalischer Regeln und Wortbedeutungen auf die „richtige“ Bedeutung einer Norm (also eines Paragraphen) oder Gesetzestextes im Allgemeinen zu schließen.

Das hört sich im ersten Augenblick recht einfach an (vor allem, wenn man an obig bereits erwähnten § 212 StGB denkt). Gleichwohl gibt es eine wahre Fülle an Paragraphen, die weitaus komplexer und schwieriger formuliert sind als derjenige zum Totschlag im Strafgesetzbuch. Dies liegt unter anderem auch daran, dass manche Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches beispielsweise weit über hundert Jahre alt sind und teilweise auf Gesetzen basieren, die bereits im alten Rom existierten (vgl. bspw. die §§ 812 ff. BGB).

Wie mächtig – und auch überzogen – die Auslegung nach dem Wortlaut sein kann, verdeutlicht vor allem der sogenannte Halbteilungsgrundsatz, der von dem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Paul Kirchhof entwickelt wurde. Dieser postulierte vereinfacht gesagt, dass mindestens die Hälfte des Einkommens einer Person nach Steuerabzug erhalten bleiben müsse. Diesen Schluss zog er nach wohl sehr intensiver Betrachtung des Art. 14 Abs. 2 GG, in dem steht:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll
 zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.

Kirchhoff interpretierte das Wörtchen „zugleich“ als „zu gleichen Teilen“ und entwickelte hieraus obiges Konzept, das mittlerweile als obsolet bezeichnet werden kann.

Darüber hinaus geht es natürlich auch um die eigene Anwendung von deutscher Sprache. Sowohl im Jurastudium als auch in der späteren Praxis gilt in den meisten Fällen das geschriebene Wort! Nicht umsonst gibt es den Spruch: Was nicht in den Akten ist, das ist nicht in der Welt.

Hierbei hat sich eine durchaus eigene Fachsprache entwickelt, in der viele Begriffe verwendet werden, die ansonsten in keinem anderen Zusammenhang auftauchen oder eine neue Bedeutung erfahren. Dass man diese Fachsprache am Anfang des Studiums beherrscht, ist natürlich utopisch und auch keine Voraussetzung. Man lernt sie vielmehr nach und nach kennen – und in gewisser Art und Weise auch schätzen.

Gleiches gilt im Übrigen auch für den sogenannten Gutachtenstil, den der Jurastudent für die Lösung der zahlreichen Fälle, die im Studium aufwarten, erlernen und benutzen muss. Hierbei handelt es sich vereinfacht gesagt und eine bestimmte Methode, mit der rechtliche Probleme untersucht werden, und die man gleich zu Beginn des Studiums in den jeweiligen Veranstaltungen immer wieder trainiert.

Kennzeichen der juristischen Sprache ist insbesondere die Präzision in den jeweiligen Formulierungen. Diese ist vor allem deshalb so wichtig, weil unpräzise Formulierungen platz für Deutungsspielraum lassen und damit die eigene Argumentation angreifbar machen. Nicht umsonst gelten Juristen als Wortakrobaten – manchmal handelt es sich aber auch lediglich um Wortklauberei...

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