A. Grundlagen zur Fahrlässigkeit

Von einem normtreuen Bürger kann grundsätzlich erwartet werden, dass er erstens Taten und Handlungen unterlässt, deren Folgen er erkennt und sich zweitens im täglichen Leben bzw. in jeweiligen Lebensbereich so verhält, dass er die nötige Aufmerksamkeit und Risikovermeidung einhält. Man spricht daher auch von der Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Missachtet er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und führt diese Missachtung zu einem tatbestandlichen Erfolg, spricht man von fahrlässigem Verhalten. Nicht immer ist es dabei klar zu erkennen, ob der Täter fahrlässig handelt oder ob er den Erfolg vorsätzlich herbeigeführt hat. In diesem Zusammenhang hat sich eine breite Diskussion bei der Abgrenzung zwischen dolus eventualis und Fahrlässigkeit aufgetan (siehe dazu „Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit“). Fahrlässig handelt im Grundsatz derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.1

Die objektive Sorgfaltspflicht muss nach den konkreten Umständen und nach den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Täter erkennbar sein. Abgrenzungen gibt es hinsichtlich des Erkennens der Tatbestandsverwirklichung. Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass der Täter die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung überhaupt nicht erkennt. In diesem Fall spricht man von unbewusster Fahrlässigkeit. Andererseits kann der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich halten, aber darauf vertrauen, dass sie nicht eintritt (bewusste Fahrlässigkeit). Die Unterscheidung spielt jedoch nur eine Rolle bei der Abgrenzung zum dolus eventualis bei den Vorsatzdelikten und hinsichtlich der Strafzumessung.2

Teilweise ist im Gesetz die Rede von „Leichtfertigkeit“. Verlangen bestimmte Normen wie bspw. die §§ 138 III, 178, 251, 264 IV, 306c, 398 III StGB Leichtfertigkeit als Voraussetzung, reicht einfache Fahrlässigkeit in Form von bewusster oder unbewusster Fahrlässigkeit nicht aus. Leichtfertigkeit hat die Bedeutung von grober Fahrlässigkeit im Zivilrecht und wird definiert als „schwerwiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“3 Sie wird angenommen, wenn dem Täter auch schon bei geringem Interesse die Vermeidbarkeit des Erfolgs erkennbar war.4

Eine Vielzahl von Gefährdungen im Alltag, hervorgerufen durch die steigende Technisierung, haben die Relevanz von Fahrlässigkeitsdelikten stark ansteigen lassen. Man denke an die hohe Anzahl von Teilnehmern am Straßenverkehr, aber auch an die vielen Gefährdungen im Haushalt.

Zu beachten ist, dass nicht jede Tat bestraft wird, die fahrlässig begangen wird. Strafbar ist gem. § 15 StGB grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln, außer wenn das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Dies ist der Fall bei der Gefährdung (§ 229 StGB) und Verletzung (§ 222 StGB) von Leib und Leben, bei den gemeingefährlichen Straftaten (§§ 306 ff. StGB), sowie im Umweltstrafrecht (§§ 324 ff. StGB) und den Insolvenzdelikten (§§ 324 ff. StGB). Nicht strafbar ist hingegen zum Beispiel die fahrlässige Sachbeschädigung gem. § 303 StGB.5

  • 1. Wessels/Beulke, Rn. 656; Schmidt, Rn. 134
  • 2. Rengier, § 52, Rn. 5 ff.; Kühl, § 17, Rn. 4
  • 3. BGHSt 14, 240, 255; 20, 315, 323 f.
  • 4. BGHSt 33, 66, 67; Kindhäuser, § 33, Rn. 71
  • 5. S/S/Eser/Hecker § 11 Rn. 52; Wessels/Beulke Rn. 660